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BERLIN
BND-Ausspähung irritiert die Türkei
Die Bundeswehr ist seit 2013 in der Türkei präsent: Deutsche Luftabwehrraketen vom Typ Patriot sollen den Nato-Partner vor Angriffen aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien schützen.
Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa | Die Bundeswehr ist seit 2013 in der Türkei präsent: Deutsche Luftabwehrraketen vom Typ Patriot sollen den Nato-Partner vor Angriffen aus dem benachbarten Bürgerkriegsland Syrien schützen.
Rudi Wais
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 18.08.2014 18:56 Uhr

Die Reaktion der Ausspionierten ließ nicht lange auf sich warten. Während sich das politische Berlin am Montagmorgen noch zu sortieren begann, hatte der deutsche Botschafter in Ankara, Eberhard Pohl, bereits einen dringenden Termin im türkischen Außenministerium. Mit der Bespitzelung durch den BND, musste er sich dort vorwerfen lassen, setze Deutschland die guten Beziehungen beider Länder aufs Spiel. Selbst wenn in den Berichten über eine Abhöraktion nur ein Funken Wahrheit stecke, erklärte das türkische Außenamt später, sei „eine schlimme Lage“ entstanden.

Kein Affront

Zu einem diplomatischen Affront wollte es die Regierung in Ankara dann allerdings doch nicht kommen lassen – Pohl wurde nicht förmlich einbestellt, sondern lediglich um ein Gespräch gebeten. „Dieses Gespräch ist in einer freundlichen Atomsphäre verlaufen“, versichert Martin Schäfer, der Sprecher von Außenminister Frank-Walter Steinmeier. „Es war ausdrücklich keine Einbestellung.“ Wie seine Kollegen aus dem Kanzleramt oder den anderen Ministerien hütet aber auch Schäfer sich, die Türkei einen befreundeten Staat zu nennen.

Auch wenn in Berlin niemand offiziell bestätigt, dass der BND das Land seit Jahren im Visier hat, gilt das erste Merkel’sche Gesetz für die Türkei offenbar nicht. Der berühmte Satz der Kanzlerin, nachdem es nicht angehe, unter Freunden zu spionieren, sei „eindeutig“ an die Adresse der USA gerichtet gewesen, sagt Christiane Wirtz, die stellvertretende Regierungssprecherin. Im Umkehrschuss heißt das: Was für die Vereinigten Staaten gilt, muss für die Türkei noch lange nicht gelten. Selbst der Grünen-Politiker Jürgen Trittin, weiß Gott kein Freund der Geheimdienste, empfiehlt „weniger Wehleidigkeit, mehr eigene Aufklärung und bessere Spionageabwehr“.

Deutschlands Sicherheit sei durch die Spannungen im Grenzgebiet der Türkei mit Syrien und dem Irak unmittelbar betroffen, zumal dort auch Soldaten der Bundeswehr stationiert seien, argumentiert Trittin. Dass ein Dienst wie der BND dort Informationen sammelt, „kann man ihm nicht vorwerfen“. Gerade in einer derart unruhigen Region, findet auch die SPD-Innenexpertin Gabriele Fograscher, „können wir uns doch nicht alleine auf offizielle Informationen verlassen“.

Telefonate mitgeschnitten

Politisch brisanter ist deshalb die Frage, wie die Bundesregierung mit Informationen umgeht, wie der BND sie aus der Türkei oder aus dem eher zufälligen Abhören zweier amerikanischer Außenminister gewinnt. Obwohl die beiden jetzt bekannt gewordenen Telefonate von John Kerry und Hillary Clinton schon in den Jahren 2012 und 2013 mitgeschnitten wurden und die Türkei seit mindestens 2009 auf dem Radar des BND steht, wissen die Kontrolleure des Bundestages über beide Vorgänge offenbar noch nicht wirklich Bescheid. Wie Regierungssprecherin Wirtz einräumt, ist ihnen bisher nur „ein Teil dessen“ bekannt – und auch der erst seit Juli. Den Rest würden die Abgeordneten jetzt aber „zeitnah“ erfahren.

Die Abgeordnete Fograscher, seit kurzem selbst Mitglied des geheim tagenden Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, darf zwar nicht über das reden, was dort diskutiert wird. Die neue Debatte über die Aktivitäten des BND allerdings bestätigt die 57-Jährige in ihrer Forderung nach einer besseren, kontinuierlichen Information. „Wir erfahren nur das“, kritisiert sie im Gespräch mit dieser Zeitung, „was die Bundesregierung auch berichten will.“ So komme es immer wieder vor, dass sie und ihre Kollegen wichtige Informationen nicht aus dem Kanzleramt oder von den Nachrichtendiensten, sondern aus den Medien erhielten. Den Vorschlag des früheren BND-Chefs Hansjörg Geiger, analog zum Wehrbeauftragten auch einen hauptberuflichen Beauftragten für die Nachrichtendienste einzusetzen, lehnt sie zwar nicht prinzipiell ab. Solange die Regierung ihre defensive Informationspolitik nicht ändere, warnt Expertin Fograscher, „wird auch er nicht viel ausrichten können“.

 
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