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ISTANBUL
Blutige Kampfansage an Erdogan
Aftermath of twin explosions in Istanbul       -  Die Familie eines getöteten Polizisten nimmt am Sarg Abschied.
Foto: Sedat Suna, dpa | Die Familie eines getöteten Polizisten nimmt am Sarg Abschied.
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 |  aktualisiert: 19.12.2016 03:44 Uhr

Nach dem neuen Doppel-Anschlag von Istanbul hat sich eine Unterorganisation der kurdischen Rebellengruppe PKK zu dem Blutbad bekannt. Türkische Politiker betonen, offenbar solle versucht werden, die gerade begonnene Vorbereitung für die Errichtung eines Präsidialsystems zu sabotieren. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan nimmt die Gewalttat zum Anlass für neue scharfe Kritik am Westen.

Die Täter suchten sich die starke Polizeipräsenz beim Erstligaspiel der Fußballclubs Besiktas gegen Bursaspor als Ziel aus. Das Spiel in der neu gebauten Vodafone-Arena am Bosporus-Ufer in Istanbul war vorbei, die meisten Fans waren schon zu Hause, als die Terroristen gegen 22.15 Uhr Ortszeit zuschlugen.

Die Gegend im Stadtteil Besiktas um das Stadion zählt zu den wichtigsten Verkehrsknotenpunkten der Istanbuler Innenstadt: Niemand in Istanbul ist sicher, lautete die Botschaft. In einem offenbar koordinierten Angriff explodierte zunächst eine Autobombe in der Nähe einer Gruppe der Bereitschaftspolizei am Stadion. Rund 45 Sekunden später jagte sich ein Selbstmordattentäter im nahen Macka-Park in die Luft. Nach Behördenangaben starben insgesamt 38 Menschen, darunter 30 Polizisten. 166 weitere Opfer wurden verletzt. Die meisten Opfer gab es durch die Autobombe, die nach Angaben von Vizepremier Numan Kurtulmus 300 Kilogramm schwer war. Bis zum Sonntagmittag wurden 13 Tatverdächtige festgenommen.

Am Tag nach dem Anschlag bekannten sich die Freiheitsfalken Kurdistans (TAK), eine Organisation aus dem Umfeld der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), zu der Gewalttat. So lange die Erdogan-Regierung den PKK-Gründer Abdullah Öcalan in Haft halte und mit „Folter“ gegen Kurden vorgehe, dürfe die Türkei keine Ruhe erwarten, erklärte die Gruppe auf ihrer Internetseite. Demnach handelte es sich um einen doppelten Selbstmordanschlag der Täter in dem Bombenfahrzeug und im Macka-Park.

Auch Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, alles deute auf eine Täterschaft der PKK hin. PKK-Kommandant Cemil Bayik hatte in den vergangenen Monaten angekündigt, seine Kämpfer würden den Krieg in die türkischen Städte tragen und dabei insbesondere mit Anschlägen gegen Mitglieder der Sicherheitsbehörden gedroht. Regierungstreue türkische Medien meldeten am Sonntag, einer der Täter sei aus dem Herrschaftsgebiet des PKK-Ablegers in Syrien in die Türkei gekommen.

Der Anschlag auf die Polizisten am Besiktas-Stadion war der siebte Anschlag in der türkischen Metropole in diesem Jahr – angefangen hatte die Gewaltserie mit dem Tod von zwölf deutschen Touristen bei einem Selbstmordanschlag vor der Blauen Moschee im Januar. Das neuerliche Blutbad hat bei vielen Istanbulern die Hoffnung zerstört, dass der von Erdogan nach dem Putsch verhängte Ausnahmezustand mit seiner starken Präsenz von Polizei und Militär auf den Straßen zumindest mehr Sicherheit gebracht hat. „Immerhin können wir jetzt wieder Metro fahren, ohne uns große Sorgen zu machen“, sagte ein Istanbuler Intellektueller nur wenige Tage vor den Explosionen in Besiktas. Entsprechend groß ist der Schock nach den Ereignissen vom Samstagabend.

Erdogan-Anhänger forderten bei einer Kundgebung am Tatort am Sonntag eine rasche Wiedereinführung der Todesstrafe für terroristische Gewalttaten. Erdogan selbst reagierte gewohnt kämpferisch. „So weit, dass wir die Plätze in den Städten diesen Schuften überlassen, sind wir noch lange nicht“, sagte der Staatschef. Zugleich griff er den Westen erneut scharf an. Es gebe Länder, die es vorzögen, Terroristen zu unterstützen, statt den Türken im Kampf gegen den Terror zu helfen.

Der Doppel-Anschlag ereignete sich nur wenige Stunden, nachdem die Erdogan-Partei AKP und die Rechtsnationalisten-Partei MHP ihren gemeinsamen Vorschlag zur Einführung eines Präsidialsystems ins Parlament eingebracht hatten. Der Entwurf für Verfassungsänderungen sieht weitere Machtbefugnisse für Erdogan vor, der bei Umsetzung des Plans bis zum Jahr 2029 regieren könnte. Das Vorhaben soll im Frühsommer den Wählern in einer Volksabstimmung vorgelegt werden.

 
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