Ein beispielloser Terroranschlag im Zentrum der Hauptstadt hat in Tunesien Schock und Entsetzen ausgelöst. Fünf mit Kalaschnikows bewaffnete Terroristen überfielen am Mittwoch das berühmte Bardo-Nationalmuseum und töteten mindestens 21 Menschen, darunter 17 Touristen. 24 Menschen wurden verletzt, darunter 22 Touristen. Zudem feuerten sie auf das nahe gelegene Parlament, wo gerade eine neue Anti-Terrorgesetzgebung debattiert wurde. Nach Augenzeugen soll sich einer der Attentäter kurz auf dem Dach der Volksvertretung aufgehalten haben. Wie ein Polizeisprecher mitteilte, wurden zwei Täter in einem Feuergefecht getötet, bei dem auch ein Polizist ums Leben kam.
Zuvor hatten die Sicherheitskräfte alle Volksvertreter evakuiert und die Umgebung weiträumig abgeriegelt. Aus dem Museum konnten sich kurz nach dem Überfall etwa einhundert Menschen durch Seitenausgänge in Sicherheit bringen. Am Nachmittag gelang es weiteren Touristen, unter dem Feuerschutz der Polizei zu fliehen – Alte und Junge, Frauen und Männer, Jugendliche und Kinder sowie Familienväter mit Kleinkindern auf dem Arm.
Fotos aus dem Inneren des Museums zeigten verängstigte Besucher, die an den Wänden und auf dem Boden eines der Ausstellungsräume kauerten. Nach Angaben des Innenministeriums befanden sich zur Zeit des Überfalls vier Touristenbusse auf dem Bardo-Parkplatz. Premierminister Habib Essid bildete einen Krisenstab. Präsident Beji Caid Essebsi kündigte für den Abend eine Fernsehansprache an seine Landsleute an, deren Volksaufstand gegen ihren Langzeit-Diktator Zine el-Abidine Ben Ali im Januar 2011 den Arabischen Frühling ausgelöst hatte.
Über die Täter gab es zunächst keine gesicherten Informationen. Tunesien hat in der Grenzregion zu Algerien eine kleine, hoch gefährliche El-Kaida-Szene. Gleichzeitig wird es von Bürgerkrieg und Radikalisierung im benachbarten Libyen immer stärker in Mitleidenschaft gezogen. Schätzungsweise 1,5 bis drei Millionen Libyer leben in dem kleinen Nachbarland. Die meisten haben sich vor der Gewalt in ihrer Heimat in Sicherheit gebracht. Andere agieren als Waffenhändler, die Kriegsgerät aus den Arsenalen des im Oktober 2011 getöteten Diktators Muammar Al-Gaddafi in Richtung Algerien und Mali verschieben.
In Libyen haben im vergangenen Oktober radikale Gotteskrieger als Erste in Nordafrika dem „Kalifen Ibrahim“ alias Abu Bakr al-Baghdadi die Gefolgschaft geschworen. Ein Trainingslager der IS-Extremisten existiert nur 45 Kilometer von tunesischem Territorium entfernt. Im Westen Libyens hat sich ein IS-Kommando in Sabratha westlich der Hauptstadt Tripolis festgesetzt, auf halbem Wege zur tunesischen Grenze. Die meisten ausländischen Gotteskrieger des „Islamischen Kalifates“ in Syrien und dem Irak stammen aus Tunesien.
Bezogen auf seine elf Millionen Einwohner, liegt das kleine, säkulare Land am Mittelmeer damit im Nahen Osten einsam an der Spitze. Nach Schätzung des Innenministeriums kämpfen 3000 junge Männer, teilweise auch junge Frauen, in Mesopotamien. 9000 wurden bisher an der Ausreise gehindert, etwa 300 sind zurückgekehrt, mindestens 170 gestorben. Auffallend viele stammen aus Mittelklasse-Familien, waren Studenten, angestellt im öffentlichen Dienst oder hatten gut bezahlte Berufe im Privatsektor.
Auch auf tunesischem Boden haben Gewalttaten und Terrorakte von radikalen Gruppen in den letzten beiden Jahren stark zugenommen. Fast alle richteten sich gegen Sicherheitskräfte und nicht gegen Touristen. Bei Polizei und Militär gab es mehr als 60 Tote und 110 Verletzte. Lediglich im Oktober 2013 sprengte sich in Sousse ein Selbstmordattentäter auf dem Rasen eines Strandhotels in die Luft, ohne dass jemand verletzt wurde. Im Februar und Juli 2013 wurden zwei linke Oppositionspolitiker auf offener Straße erschossen. Die Polizei vermutet die Täter im salafistischen Milieu, konnte sie aber nicht fassen. 1500 verdächtige Militante wurden in den letzten 14 Monaten festgenommen.
Das Bardo-Museum gehört zu den populärsten Touristenzielen in der tunesischen Hauptstadt. Es wurde 1888 eröffnet und enthält die weltweit bedeutendste Sammlung römischer Mosaiken, von denen etwa eintausend ausgestellt sind. Die Sammlung, die in dem ehemaligen Harem des Bardo-Palastes untergebracht ist, zählt neben dem Ägyptischen Museum in Kairo zu den bedeutendsten archäologischen Ausstellungshäusern Nordafrikas.