Erinnerung an ein epochales Ereignis: Millionen Deutsche haben am Wochenende den 25. Jahrestag der Wiedervereinigung gefeiert. Kanzlerin Merkel sprach von einem „Tag der Freude“ und lobte, in Ost und West sei zusammengewachsen, was zusammengehöre. Es habe sich bewahrheitet, dass viele blühende Landschaften entstanden seien – „so wie Helmut Kohl das gesagt hat“. Merkel bat alle Bürger, die Kraft, die bei der Einheit spürbar geworden sei, jetzt auf die Integration von Flüchtlingen zu lenken. Es gelte, diese Herausforderung „innerlich anzunehmen“, sagte sie im Deutschlandfunk.
Bundespräsident Joachim Gauck nannte die Integration von Hunderttausenden Migranten eine größere Aufgabe als die Wiedervereinigung. Beim zentralen Festakt in Frankfurt am Main sagte er am Samstag: „Wie 1990 erwartet uns eine Herausforderung, die Generationen beschäftigen wird. Doch anders als damals soll nun zusammenwachsen, was bisher nicht zusammengehörte.“ Auch damals habe es kein historisches Vorbild gegeben, trotzdem hätten Millionen Menschen die Aufgabe angenommen und bewältigt.
Allein in Frankfurt und Berlin feierten Hunderttausende den Jahrestag. In der Hauptstadt musste die Festmeile am Brandenburger Tor wegen Überfüllung teilweise geschlossen werden. Am Main in Frankfurt gab es am Samstagabend dichtes Gedränge bei einer spektakulären Licht- und Musikshow. In Berlin stieg auf dem Platz der Republik am Reichstag zum Abschluss eines Bundestags-Festaktes ein Feuerwerk in den Abendhimmel.
Bei der Feier am Reichstag mahnte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), die deutsche Einheit und das Zusammenwachsen Europas nicht als Selbstverständlichkeit zu sehen. „Glücklichere Zeiten gab es in Deutschland nie“, sagte er. Gauck würdigte die Leistungen der Bürgerrechtsbewegung in der DDR auf dem Weg zur Wiedervereinigung. Mit ihrem Aufbegehren von 1989 hätten die Ostdeutschen den Westdeutschen ein großes Geschenk gemacht. „Die friedliche Revolution zeigt: Wir Deutschen können Freiheit.“ Umgekehrt hätten die Westdeutschen auch den Ostdeutschen ein Geschenk gemacht: das Grundgesetz, eine funktionierende Demokratie, eine unabhängige Justiz und das Sozialsystem. Etliche DDR-Bürgerrechtler saßen bei der Feier in der ersten Reihe. Gauck äußerte Verständnis für Ängste in der Bevölkerung angesichts der vielen Flüchtlinge.
Es spüre wohl fast jeder, wie sich in die große Hilfsbereitschaft der Menschen auch Sorge schleiche. „Dies ist unser Dilemma: Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Aber unsere Möglichkeiten sind endlich.“ Merkel rief einmal mehr zur Zusammenarbeit und Solidarität in Europa auf. Es müsse eine faire Aufgaben- und Lastenteilung geben, sagte sie vor dem offiziellen Festakt. Noch nie habe es so viele Flüchtlinge gegeben. „Das müssen wir gemeinsam schaffen, Deutschland, Europa und die Welt.“ Gastgeber der zentralen Feierlichkeiten war Hessen. Der Festakt zum Tag der Deutschen Einheit findet traditionell in dem Bundesland statt, das aktuell den Vorsitz im Bundesrat hat. Auch der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher und der letzte DDR-Ministerpräsident Lothar de Maiziere waren gekommen. Auch eine Gruppe von Flüchtlingen nahm auf Einladung der hessischen Landesregierung am Festakt teil. Am Samstagnachmittag stürmten rund 50 Demonstranten das Bundesratszelt in Frankfurt und verzögerten die symbolische Übergabe der Bundesratspräsidentschaft. Die Demonstranten warfen mit Karteikarten und Papierschnipseln um sich und verlangten ein Bleiberecht für Flüchtlinge.
Die Polizei drängte die Protestierer nach kurzer Zeit nach draußen. Die Präsidentschaft des Bundesrates wurde mit Verzögerung von Hessen an Sachsen übergeben.
Mit einer spektakulären Licht- und Musikshow auf dem Main ist der Tag der Deutschen Einheit am Samstag zu Ende gegangen. Auf beiden Seiten der Untermainbrücke wurde mit Hunderten von Scheinwerfern eine Brücke aus Licht zwischen beiden Flussufern „gebaut“, die an die deutsche Teilung und deren friedliche Überwindung erinnerte.
Die Show war zwar Abschluss des Einheitstags, aber nicht das Ende der Feiern zum 25. Jubiläum der Wiedervereinigung. Auch am Sonntag haben die Frankfurter und ihre Gäste noch die Möglichkeit, den Jahrestag bei zahlreichen Veranstaltungen in der für den Autoverkehr gesperrten Innenstadt zu feiern. Insgesamt waren bei dem Bürgerfest bis Sonntag 300 Veranstaltungen geplant. dpa