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Bilanz eines Protests
Flüchtlingscamp: Vor drei Jahren begannen Flüchtlinge in Würzburg zu protestieren, Auslöser war der Suizid eines Asylbewerbers. Die Bewegung kam bis nach Berlin und dann nicht mehr viel weiter. Zwei Aktive von damals erinnern sich.
Teresa Bechtold
Teresa Bechtold
 |  aktualisiert: 16.04.2015 10:24 Uhr

Turgay Ulu ist fast jeden Tag in dem Café am Kottbusser Tor. Stumm grüßt er beim Eintreten einige der anderen Besucher. Dabei verzieht er keine Miene, er nickt ihnen nur kurz zu. Vielleicht verschwindet sein Lächeln aber auch unter dem dichten schwarzen Bart, der einen Großteil seines Gesichts bedeckt. Zwischen Dönerbuden und einem Sportwettenladen befindet sich hier, in der multikulturellen Mitte Berlins, ein Treffpunkt der Flüchtlingsszene. Die Zettel mit dem Aufdruck „No Entrance for Dealers“ – „Kein Einlass für Dealer“, die an jeder Tischoberfläche kleben, weisen darauf hin, dass der berüchtigte Görlitzer Park mit seinen Drogenproblemen nur eine U-Bahn Station entfernt ist. Ulu bestellt einen Chai Latte in flüssigem Deutsch. „Die Sprache habe ich auf der Straße gelernt“, sagt der Türke. Der 42-Jährige redet langsam und ruhig, in seiner Stimme liegt dieselbe Emotionslosigkeit, mit der er zuvor seine Bekannten begrüßt hat. Ulu ist Flüchtling, er hat 2012 in der Würzburger Innenstadt demonstriert, war bei dem Hungerstreik dabei und ist schließlich 600 Kilometer bis nach Berlin marschiert. Dort hat er das Camp auf dem Kreuzberger Oranienplatz mitbegründet. Anderthalb Jahre lang lebte er in der Zeltstadt im Zentrum Berlins und demonstrierte mit Hunderten anderen für Bleiberecht, Bewegungsfreiheit und ein Ende von Sammelunterkünften. „Ich wollte mich gegen die deutsche Flüchtlingspolitik wehren“, begründet Ulu, der 2011 nach Deutschland gekommen war, sein Engagement.

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