Dass sich die Bienen einer Kolonie gegenseitig darüber verständigen, wo es neue Futterquellen, Wassersammelstellen oder Nistplätze gibt, weiß man seit den berühmt gewordenen Arbeiten des Bienenforschers Karl von Frisch. Hat eine Bienen ein interessantes Ziel entdeckt, führt sie vor den anderen Sammelbienen im Stock einen Tanz auf, in dem alle wichtigen Informationen über den Fundort stecken. Die Details übermittelt die tanzende Biene dabei in der sogenannten Schwänzelphase: Die Kollegen können daran die Richtung der Futterstelle erkennen. Und je länger dieses Teil des Bienenballetts dauert, umso weiter ist das Ziel vom Bienenstock entfernt.
Im Prinzip funktioniert diese Tanzsprache auf der ganzen Welt so, bei allen neun Arten von Honigbienen, die sich im Laufe der Evolution vor 30 bis 50 Millionen Jahren voneinander getrennt haben. Doch die Bienchen tanzen Dialekt: „Die Inhalte der Botschaften sind bei allen Arten gleich, aber die Kodierung der Nachrichten in Form der Tanzsprachen unterscheidet sich jeweils“, sagt Professor Jürgen Tautz vom Würzburger Biozentrum.
So schwänzeln zum Beispiel europäische Honigbienen deutlich kürzer als ihre asiatischen Verwandten, wenn sie die gleichen Flugentfernungen mitteilen. Die asiatische Honigbiene Apis cerana und die europäische Honigbiene Apis mellifera, leben geografisch am weitesten voneinander entfernt. Dementsprechend weit haben sich auch ihre Sprachen auseinanderentwickelt.
Was bereits viele Wissenschaftler versucht hatten und was bislang noch nie glückte – die Würzburger Forscher und Kollegen aus China und Australien haben es geschafft: Sie vereinigten europäische und asiatische Bienen erstmals zu funktionierenden Bienenvölkern. Bislang brachten sich Bienen immer gegenseitig um, wenn sie mit „Fremden“ zusammengesperrt wurden. „Wenn man aber die spezifischen Erkennungsdüfte durch einen dritten, künstlichen Geruch überdeckt und den Bienen ein paar Tage Eingewöhnungszeit lässt, dann klappt es mit dem Zusammenleben“, sagt der Biologe.
Trotz verschiedener Tanzdialekte schaffen es die europäischen Bienen und ihre asiatischen Kolleginnen, sich nach einiger Zeit zu verständigen und gemeinsam Futterquellen auszubeuten. Nach wenigen Stunden Eingewöhnung folgen die Asiatinnen den Tänzen der Europäerinnen und deuten deren Sprache richtig. „Das Kommunikationssystem der Bienen ist also sehr anpassungsfähig und keineswegs unflexibel, wie man es für Insekten eigentlich erwarten sollte“, sagt Tautz.
Mit ihrem gemischten Bienenvolk wollen die Wissenschaftler jetzt die Grenzen der Anpassungsfähigkeit ausloten. Wie viel ist genetisch festgelegt, wie viel erlernt? Immer ist die Völkerverständigung nämlich nicht erfolgreich – sie hängt unter anderem von der Königin ab: Bei einer asiatischen Königin mit einem europäisch-asiatischen Volk von Arbeiterinnen klappte die Verständigung in den meisten Fällen. Kam die Königin dagegen aus Europa, wurden die asiatischen Arbeiterinnen innerhalb von zwei bis drei Tagen von den europäischen Stockgenossen getötet.
Im Blickpunkt
Sprache der Honigbienen
Die weltweit neun Arten der Honigbiene haben sich vor 30 bis 50 Millionen Jahren getrennt und verschiedene Ausdrucksformen des Schwänzeltanzes entwickelt. Zum Vergleich: Der moderne Mensch wanderte erst vor rund 100 000 Jahren aus Afrika aus und verteilte sich mit verschiedenen Sprachen über die Erde.