Erst kommen die Jäger und Sportschützen, dann muss die mächtige Waffenlobby NRA antanzen und am Abend sollen die Macher von brutalen Filmen und Videospielen vorstellig werden. Der Blick in den Kalender von US-Vizepräsident Joe Biden am Donnerstag lässt keinen Zweifel: Sein Auftrag hat höchste Priorität, für kein anderes Thema ist noch Zeit.
Präsident Barack Obama hat den 70-Jährigen für eine Aufgabe abgeordnet, die so dringend wie schwierig ist – mit einer 20-köpfigen Kommission ganz schnell den Weg zu ebnen für schärfere Waffengesetze. Sie sollen Tragödien verhindern helfen wie das Schulmassaker von Newtown, bei dem 20 Kinder, allesamt Sechs- und Siebenjährige, kurz vor Weihnachten im Kugelhagel starben.
Vier Wochen ist das her, und noch sitzt der Schock tief. Nach den vielen tödlichen Schüssen in Einkaufszentren, Universitäten oder einem Kino in den vergangenen Jahren war die Debatte über „gun control“ zu diesem Zeitpunkt längst versandet. Waffenbefürworter hatten Mahnungen und Vorstöße bereits in erprobter Rhetorik zerredet, die Medien längst frische, handlichere Geschichten gefunden.
Doch diesmal ist es anders – der wiedergewählte Präsident und sein bester Gewährsmann haben entschieden, nicht mehr wegzuschauen: „Wir sind entschlossen, zu handeln“, erklärte Biden am Mittwoch vor laufenden Kameras, als er Waffengegner und Opfer von Schießereien im Weißen Haus empfing. Bis Ende Januar soll er Vorschläge vorlegen, doch so lange will er nicht warten.
Nächste Woche schon könnte Obama die Ergebnisse präsentieren, heißt es in Washington. Von der Erneuerung eines landesweiten Banns für Schnellfeuerwaffen ist die Rede, der 2004 nach zehn Jahren ausgelaufen war. Von Hintergrundchecks von ausnahmslos allen Waffenkäufern. Magazine, die mehr als zehn Kugeln fassen, könnten verboten werden. Eine US-weite Registrierung und Beobachtung jedes einzelnen Verkaufsvorgangs sei denkbar, so die Spekulationen.
Für die Verfechter des ungehinderten Besitzes von Pistolen und Gewehren klingt das bedrohlich. Die konservative Polit-Webseite „Drudge Report“ pflasterte am Mittwoch große Abbilder von Hitler und Stalin mitten auf ihre Homepage, um die „diktatorischen“ Vorstöße von Obama und Biden zu illustrieren. Waffengruppen organisierten flugs einen „Waffen-Wertschätzungstag“ – und zwar unmittelbar vor Obamas zweiter feierlicher Amtseinführung am 20. Januar.
Die Opposition ist laut und unerbittlich. „Die NRA hat bewiesen, zu den finanziell stärksten und effektivsten Gruppen zu gehören, wenn es darum geht, die Meinung der Kongressmitglieder zu beeinflussen“, kommentiert jetzt die „Washington Post“. Der etwas widerwillige Besuch der Lobbyisten am Donnerstag bei Biden dürfte daran kaum etwas geändert haben. Kaum jemand glaubt, dass einschneidende Gesetze im republikanisch dominierten Abgeordnetenhaus eine Chance hätten.
Dennoch beeindruckt Obama viele Amerikaner bei dem Thema mit seiner Zielstrebigkeit. Er wirft das ganze Gewicht seines Amtes in eine der emotionalsten und gefährlichsten Debatten in der US-Politik.