Nach Peer Steinbrück hat auch Rainer Brüderle in den Wahlkampfmodus geschaltet. Während eines Gespräches mit Journalisten ließ der Fraktionschef der FDP am Mittwoch eine Broschüre voller bunter Bilder, erfreulicher Statistiken und jeder Menge Erfolgsmeldungen verteilen. Der Rentenbeitrag? Gesenkt. Das Kindergeld? Erhöht. Die Praxisgebühr? Abgeschafft. Die Wehrpflicht? Ausgesetzt. Für „vier gute Jahre“, so der Titel der mehr als 80 Seiten, ist danach vor allem eine Partei verantwortlich: Die FDP.
Noch allerdings ist die Legislaturperiode nicht zu Ende – und die nächste Bewährungsprobe für die Koalition nicht überstanden. Am heutigen Donnerstag entscheidet der Bundestag über die Zypern-Hilfe und die Anträge des Bundesrates und der Opposition im Bundestag, in Vorständen und Aufsichtsräten eine verbindliche Frauenquote einzuführen. In beiden Fällen müssen Union und FDP beweisen, dass sie noch handlungsfähig sind, was ihnen vor allem im Streit um die Frauenquote nicht ganz leicht fällt.
Lichtjahre auseinander
Mit ihren ständigen Forderungen nach einer festen Quote schade Sozialministerin Ursula von der Leyen nicht nur der Partei, sondern auch der Kanzlerin, schimpft der Wortführer der Konservativen in der Union, der Hesse Christean Wagner. Ihm geht schon der Kompromiss der CDU-Spitze, auf eine freiwillige Lösung und ab 2020 auf eine verbindliche Frauenquote zu setzen, zu weit. Wenn Parteifreundin von der Leyen sich nicht bremse, klagt er, „gefährdet sie den Wahlsieg der Union.“
Dass die Ministerin und einige gleich gesinnte Frauen aus der Fraktion heute mit der SPD stimmen, ist allerdings so gut wie ausgeschlossen. „Die Opposition versucht, einen Keil in die Regierung zu treiben“, sagt Brüderle. Das alleine ist für die Koalitionsparteien schon Grund genug, die Reihen zu schließen.
In der Sache selbst sind Befürworterinnen und Gegner der Quote nach wie vor gefühlte Lichtjahre auseinander. Einige FDP-Abgeordnete stellen sogar schon die kecke Frage, warum die Union denn eine Frauenquote, die erst ab 2020 gelten soll, schon 2013 in ein Wahlprogramm schreiben müsse. „Das reicht doch auch noch 2017“, sagt einer von ihnen.
Bei der Abstimmung über die Zypern-Hilfe zeichnet sich unterdessen eine große Mehrheit im Bundestag ab. Bei einer Probeabstimmung in der SPD-Fraktion signalisierten lediglich vier Abgeordnete ein Nein, vier weitere enthielten sich. In der Union stimmten neun Parlamentarier dagegen, einer enthielt sich. Da auch in der FDP nur drei oder vier Nein-Stimmen erwartet werden, hätte die Koalition rein rechnerisch eine eigene Mehrheit für das zehn Milliarden Euro schwere Hilfspaket, wäre also nicht auf Sozialdemokraten und Grüne angewiesen.
Rechtzeitig vor den Abstimmungen im Bundestag haben Union und FDP damit zwei große Klippen umschifft. Wie ernst Partei- und Fraktionsführung vor allem das Thema Frauenquote nehmen, zeigt auch ein Blick auf die Rednerliste für Donnerstagvormittag: Fraktionschef Volker Kauder und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt werden den Kompromiss selbst vor dem Parlament verteidigen. Dadurch, so die Logik dahinter, stehen sie anschließend auch in der Pflicht, ihn umzusetzen – notfalls eben gegen den Willen der FDP, in deren bunter Erfolgsbilanz eine Entscheidung übrigens dezent verschwiegen wird: Der 2010 eingeführte Steuerrabatt für die Hotellerie.