EU-Gelder für ein Rettungsfahrzeug wurden in ein privates Schloss gesteckt. Importierte Waren wiesen die Händler als Billigprodukte aus, um von der Union niedrigere Zölle zu erschwindeln: Die Antibetrugsbehörde der Gemeinschaft deckte im Vorjahr milliardenschwere Schwindeleien wie diese auf – zum Schaden der EU. Am Mittwoch zogen die Experten Bilanz.
Gleich vier Mal bebte die Erde in den vergangenen zwei Jahren in Italien. Etliche hundert Todesopfer waren zu beklagen. Die EU versprach finanzielle Unterstützung – auch für die Entwicklung eines neuartigen Luftkissenfahrzeugs, um die Hilfe über zerstörte Straßen rasch zum Einsatzort zu bringen. Doch das Projekt blieb eine Luftnummer. „Das Geld wurde gestohlen und genutzt, um die Hypothek für ein Schloss in Italien abzuzahlen“, sagte Nicholas Ilett am Mittwoch.
Es ist nur eines von vielen Beispielen, die der stellvertretende Generaldirektor des Europäische Amtes für Betrugsbekämpfung (Olaf – dies ist die Abkürzung des französischen Namens) aus seinem Jahresbericht für 2017 herausgriff. Komplexe Betrugsdelikte habe es in ganz Europa gegeben. Kriminelle Netzwerke hätten sich landwirtschaftliche Beihilfen erschlichen. Nun fordert die Europäische Kommission rund drei Milliarden Euro von den betroffenen Mitgliedstaaten zurück. Denn sie sind für die Verteilung der Gelder vor Ort und die Überwachung zuständig. Darunter auch 162,3 Millionen Euro von Deutschland. Hier geht es um einen Risikokapitalfonds der Investitions- und Beteiligungsgesellschaft IGB in Sachsen-Anhalt. Mit dem Geld sollte der Mittelstand gefördert werden. Nach den Erkenntnissen von Olaf ist allerdings „ziemlich klar, dass das Geld in einigen Fällen nicht für kleinere Unternehmen ausgegeben wurde, sondern für größere“. Und die befanden sich nicht einmal in Sachsen-Anhalt. Die Landesregierung widerspricht jedoch und will gegen die Rückforderung der Gelder klagen. 197 Untersuchungen konnten die Olaf-Ermittler im Vorjahr abschließen, nach 1111 Prüfungen leitete sie allerdings auch 215 neue Untersuchungen ein – darunter seien einige extrem aufwändige Verfahren gewesen. Der größte Fall spielte in Großbritannien. Importeure chinesischer Kleidung und Schuhe gaben bei der Einfuhr ihrer Produkte deren Wert deutlich niedriger an. So entgingen der Gemeinschaft rund 1,9 Milliarden Euro an Zolleinnahmen. Abhilfe erhoffen sich die Experten und Olaf selbst von der Europäischen Staatsanwaltschaft. Diese wird nach der Zusage von 21 Mitgliedsstaaten, sich zu beteiligen, derzeit in Luxemburg aufgebaut. Über 100 Juristen sollen dann dort Straftaten zulasten der Europäischen Union ermitteln.