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Berlusconi will nochmals ran
Von unserem Korrespondenten JULIUS MÜLLER-MEININGEN
 |  aktualisiert: 07.12.2012 19:06 Uhr

Fußball ist ein zuverlässiger Gradmesser, wenn es um die Zukunft Silvio Berlusconis geht. Der ehemalige italienische Ministerpräsident und Eigentümer des AC Mailand benutzte seinen Verein immer wieder als Konsens-Maschine. So versprach er im Wahlkampf 2008 die Verpflichtung eines Spitzenkickers wie Ronaldinho und löste das Versprechen nach gewonnener Wahl ein. Fußballfans sind auch Wähler, zumal in Italien.

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Im vergangenen Jahr kümmerte sich der 76 Jahre alte Unternehmer kaum noch um seinen Club, der politisch sinkende Stern Berlusconis entsprach seinem sportlichen Desinteresse. In den vergangenen Wochen erwachte seine Leidenschaft plötzlich neu. Fast wöchentlich ließ sich Berlusconi auf dem Trainingsgelände Milanello bei Mailand blicken und hielt flammende Reden vor den Spielern. Die Sporttageszeitungen spekulieren wild über neue Spielerkäufe in der Winterpause, Mario Balotelli und Wesley Sneijder sollen ganz oben auf dem Milan-Einkaufszettel stehen. Kenner ahnten: Berlusconi plant seine Rückkehr in die Politik.

In Europa schüttelt man den Kopf

An diesem Donnerstag folgte die Bestätigung. Angelino Alfano, Sekretär der Berlusconi-Partei „Volk der Freiheit“ (PdL) kündigte die erneute Kandidatur des Cavaliere bei den Parlamentswahlen im Frühjahr an. In Europa schüttelt man den Kopf. Der Mann, der schon so oft seinen Abschied aus der Politik erklärt hat und erst vor einem Monat wegen Steuerbetrugs verurteilt wurde, ist zurück. Zuverlässigkeit, das weiß man auch in Italien, ist keine Stärke des viermaligen italienischen Ministerpräsidenten. Bei zwei Vertrauensabstimmungen im Parlament enthielten sich die PdL-Parlamentsabgeordneten ihrer Stimme. Die Enthaltungen sind zwei Schüsse vor den Bug der Regierung Monti. Italien befindet sich im Wahlkampf.

Auch wenn die Rückkehr des Paten der italienischen Politik zunächst unverständlich wirkt, Berlusconi hat gute Gründe für sein Comeback, das mit aller Wahrscheinlichkeit nicht mit einem Wahlsieg und damit einem erneuten Mandat als Ministerpräsident enden wird. Zu schlecht steht das „Volk der Freiheit“ in den Umfragen da, die früheren Alliierten haben sich abgewendet. Berlusconi geht es um Schadensbegrenzung. Nicht für Italien, sondern für sich selbst. Die Italiener hingegen bezahlen die Rückkehr des Cavaliere teuer. Die Mailänder Börse verlor deutlich, der Risikoaufschlag für italienische Staatsanleihen stieg erheblich an.

Mehrere Motive haben Berlusconi zu seinem Schritt veranlasst. Der Politiker hofft, als Wahlkämpfer von den Richtern verschont zu bleiben. Im Frühjahr droht ihm die Verurteilung wegen Prostitution Minderjähriger im Fall Ruby, ab März muss er sich wegen Geheimnisverrats vor Gericht verantworten. Wie es aus seinem Umfeld heißt, hofft Berlusconi, sich durch einen vorgezogenen Wahlkampf diesen Prozessen vorübergehend entziehen zu können.

Posten und Pfründe im Parlament

Zudem stört sich der Ex-Ministerpräsident an zwei Gesetzesvorhaben der Regierung Monti, deren Mandat im April abläuft. Sie will Vorbestraften die Kandidatur für politische Ämter künftig per Gesetz verbieten. Außerdem sollen mit einem neuen Wahlgesetz die Wähler künftig wieder an der Auswahl der Kandidaten beteiligt werden. Beide Pläne will Berlusconi blockieren.

Nach dem noch gültigen Gesetz können die Parteispitzen die Kandidaten für ihre Wahllisten willkürlich festlegen. So erklärt sich auch, dass sich weite Teile des PdL plötzlich wieder hinter Berlusconi scharen. Bis vor kurzem war von Urwahlen zur Kandidatensuche die Rede. Wer sich widersetzt, wie etwa der ehemalige Außenminister Franco Frattini, muss damit rechnen, nicht mehr aufgestellt zu werden.

Die PdL-Parlamentarier kleben offenbar an ihren Posten und Pfründen im Parlament. Berlusconis Hoffnung ist, mit einem guten Ergebnis bei den Wahlen die Bildung der künftigen Regierung mitbestimmen zu können und weiter Einfluss in der italienischen Politik zu haben.

 
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