
Man ist ja einiges von Silvio Berlusconi gewöhnt. Die Liste von strafrechtlich relevanten oder zumindest äußerst diskutablen Verhaltensweisen des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten ist ellenlang. Nun haben Staatsanwälte in Neapel ein weiteres Kapitel zum Justiz-Sammelsurium des 78 Jahre alten Politikers aus Mailand hinzugefügt. Sie forderten fünf Jahre Haft für Berlusconi, weil er im Jahr 2007 einen Senator der Opposition bestochen haben soll, um die damalige Links-Regierung von Premier Romano Prodi zu Fall zu bringen.
Als „Operation Freiheit“ bezeichneten die damals Beteiligten ihren Plan des Regierungssturzes mit unlauteren Mitteln. Der Senator Sergio De Gregorio soll von Berlusconi drei Millionen Euro dafür erhalten haben, dass er vom Regierungs- ins Oppositionslager wechselte. Das Geld lief laut Ermittlern teilweise über Auslandskonten, teilweise wurde es bar ausgehändigt. De Gregorio gehörte zunächst der Koalitionspartei „Italien der Werte“ um Ex-Staatsanwalt Antonio Di Pietro an. Im Januar 2008 stimmte De Gregorio in einem Misstrauensvotum zum wiederholten Mal gegen Regierungschef Prodi, dessen Regierung dabei stürzte. De Gregorio wechselte daraufhin ins Berlusconi-Lager. Im Prozess gestand er später die Bestechung, mit der Staatsanwaltschaft einigte er sich auf eine Haftstrafe von 20 Monaten.
Mittelsmann bei der Aktion soll der ehemalige Chefredakteur der Zeitung „L'Avanti“ Valter Lavitola gewesen sein, der wegen anderer Verfahren bereits in Haft ist. Für ihn forderte die Staatsanwaltschaft nach ihrem Plädoyer am Mittwoch in Neapel vier Jahre und vier Monate Gefängnis. Berlusconi selbst war nicht anwesend. Laut Staatsanwalt Vincenzo Piscitelli soll er jedoch „Regisseur, Finanzier und Begünstigter“ des Manövers gewesen sein. Berlusconi war nach dem Sturz Prodis 2008 für eine dritte Amtszeit gewählt worden.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Berlusconi auch andere Parlamentarier bezahlen ließ, um Prodi zu stürzen. Allerdings hätten diese Politiker bislang nicht eindeutig identifiziert werden können. Die Anwälte Berlusconis wiesen die Vorwürfe als „unhaltbar“ zurück. Das Urteil wird für den 8. Juli erwartet.
Dass der 78-jährige Berlusconi in Haft muss, gilt als ausgeschlossen. Die Taten verjähren im Oktober 2015, dass bis dahin ein Urteil auch in zweiter und dritter Instanz vorliegt, ist unwahrscheinlich.