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MAILAND
Berlusconi pflegt Demente
reda
 |  aktualisiert: 09.05.2014 19:13 Uhr

Überpünktlich und mit ernstem Blick präsentierte sich Silvio Berlusconi am Freitagmorgen im Alten- und Pflegeheim von Cesano Boscone bei Mailand. „Silvio, Silvio“, rief eine Frau hinter den Absperrungen, die für die mehr als 100 Journalisten aus der ganzen Welt aufgestellt waren. Italiens bekanntester Politiker stieg aus seiner dunklen Limousine, drehte sich nur kurz um und hob ohne sein übliches Lächeln die Hand zum Gruß.

Das Institut Sacra Famiglia (Heilige Familie) ist ab sofort der Schauplatz, von dem man nicht genau weiß, ob er wirklich der Resozialisierung eines einzigartigen Straftäters dienen kann. Oder ob es Berlusconi hier gelingt, sogar seine milde Bestrafung in einen Vorteil im EU-Wahlkampf umzuwandeln. „Silvio hat immer schon Bedürftigen im Verborgenen geholfen“, ließ seine junge Freundin Francesca Pascale vorab wissen. „Ab heute weiß es die ganze Welt.“

Seit Freitag leistet der 77 Jahre alte Berlusconi mit der Betreuung von Demenzkranken und Alzheimerpatienten die Sozialstunden ab, die ein Mailänder Gericht zur Verbüßung seiner ursprünglich vier Jahre langen Haftstrafe wegen Steuerbetrugs in seinem Medienunternehmen Mediaset angesetzt hatte. Jeden Freitagmorgen, vier Stunden lang, vermutlich für zehn Monate. Wegen einer Amnestieregelung aus dem Jahr 2006 wurde die Strafe auf ein Jahr reduziert, bei guter Führung ist Berlusconi Anfang 2015 wieder sein eigener Herr.

Den Medien ist der Zutritt zu dem Heim verboten. Den Mitarbeitern wurde bei Androhung ihrer Entlassung untersagt, Foto- oder Videoaufnahmen zu machen. Einzig ein als Clown verkleideter Gewerkschafter protestierte und rief bei Berlusconis Ankunft: „Der Traum aller Arbeiter – Berlusconi in San Vittore.“ Dort steht das Mailänder Gefängnis.

Dass Berlusconi bislang wie ein Straftäter behandelt würde, ist nicht zu behaupten. Seit Tagen lässt der Ex-Ministerpräsident im Hinblick auf die Europawahl keine Gelegenheit für TV-Auftritte und Interviews aus. Seine Botschaft an den harten Kern seiner Wählerschaft lautet: „Trotz Verfolgung durch die Justiz gebe ich nicht auf.“ Noch am Donnerstag hatte er in einem Radiointerview zu einem Rundumschlag gegen seine politischen Gegner angesetzt.

Auch auf die Justiz schimpfte Berlusconi. Der sogenannte Ruby-Prozess, bei dem er wegen bezahltem Sex mit einer Minderjährigen bereits in erster Instanz zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde, sei „eine Farce“. „Bei allem, was ich getan habe, müsste ich bald heiliggesprochen werden“, sagte der Politiker, der sich einst als „Gesalbter des Herrn“ bezeichnet hatte, wohl nur halb im Scherz. Am Abend in einer TV-Show gab sich Berlusconi bereits milder. Seine Anwälte befürchten, dass die Richter die Sozialstunden in Hausarrest umwandeln könnten.

In den Umfragen liegt seine Partei „Forza Italia“ bei unter 20 Prozent, einer der schlechtesten Werte in der Parteigeschichte. „Angriff der Justiz“, titelte Berlusconis Hausblatt „Il Giornale“ im Hinblick auf mehrere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aus den vergangenen Tagen.

 
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