Am Abend erschien Silvio Berlusconi in San Siro und widmete sich Wesentlichem. Er umarmte seine Tochter Barbara auf der Tribüne und sah sich mit ihr Fußball an: sein AC Mailand gegen Juventus Turin, Titelverteidiger gegen Rekordmeister. Der frühere italienische Ministerpräsident kann aufatmen: Er hat ein Problem weniger.
Kurz zuvor war am Samstagnachmittag bekannt geworden, dass das Mailänder Strafgericht das Verfahren gegen ihn im Bestechungsfall Mills eingestellt hat. Wegen Verjährung. Die Verzögerungstaktik der Anwälte von Silvio Berlusconi ist damit aufgegangen.
Berlusconi war angeklagt, weil er dem britischen Anwalt David Mills angeblich 600 000 Dollar zukommen ließ – als Dank dafür, dass Mills in den 90er Jahren vor Gericht falsche Angaben gemacht hatte. Es ging dabei um Off-Shore-Geschäfte von Berlusconis Konzern Fininvest. Mills wurde zunächst in zwei Instanzen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. In der letzten Instanz musste der italienische Kassationsgerichtshof 2009 dann die Verjährung feststellen – auch wenn die Richter die Schuld von Mills nicht in Zweifel zogen.
Für Berlusconi hatten die Staatsanwälte nun fünf Jahre Haft gefordert. Allerdings hätte der 75-Jährige im Fall einer Verurteilung wegen seines fortgeschrittenen Alters ohnehin nicht mehr ins Gefängnis gemusst, sondern wäre nur unter Hausarrest gestellt worden. Die drei Richterinnen haben jetzt 90 Tage Zeit, ihre Entscheidung zu begründen. Danach können Staatsanwaltschaft und die Anwälte Berlusconis sagen, ob sie in Berufung gehen. Zwei weitere Instanzen wären möglich.
Berlusconi kommt zugute, dass in Italien bestimmte Verjährungsfristen auch während des Verfahrens weiterlaufen. Zwar verlängern sie sich mit dem Prozessauftakt. Aber der Weg durch die Instanzen kann sehr lang sein. Und Berlusconis Anwälte verstehen sich gut auf das Verzögern. Etwa fünf Jahre dauerte allein der erste Prozess im Fall Mills.
Berlusconi ist Ärger mit der Justiz gewohnt. Dabei fühlt er sich als unschuldiges Opfer, wie er vergangene Woche zu belegen versuchte: 900 Staatsanwälte und Richter hätten sich mit ihm und seinem Unternehmen in den vergangenen 14 Jahren befasst, 100 Prozesse seien gegen ihn geführt worden, 588 Besuche der Polizei und der Steuerfahndung habe er gehabt. Mehr als 400 Millionen Euro für Anwälte und Berater – das sei nicht nur „Weltrekord“, das sei „Rekord im ganzen Sonnensystem“. 1997 und 1998 war er in drei Verfahren in erster Instanz wegen Korruption, Bilanzfälschung und illegaler Parteienfinanzierung sogar zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Die Urteile wurden später aufgehoben oder waren wegen Verjährung nicht mehr rechtskräftig.
In den nächsten Monaten wird Berlusconi weiter Gelegenheit haben, seine Justizrekorde auszubauen. Drei Verfahren laufen noch gegen ihn – darunter der Ruby-Prozess.