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Berlusconi bald wieder Regierungschef?
Von unserem Korrespondenten Julius Müller-Meiningen
 |  aktualisiert: 12.07.2012 19:33 Uhr

Den Sommer kann man bekanntlich auf verschiedene Art und Weise verbringen. Manche müssen arbeiten, andere liegen am Meer. Silvio Berlusconi wird sich in diesem Sommer einen neuen Namen für seine Partei ausdenken. Das hat er soeben wissen lassen, nachdem sein Vorhaben bekannt wurde, im kommenden Frühjahr als Spitzenkandidat bei den italienischen Parlamentswahlen anzutreten. Berlusconi ist ein Spezialist darin, Gebrauchtes als neu zu verkaufen.

Das gilt gewissermaßen auch für ihn selbst. 17 Jahre lang war er die bestimmende Figur der italienischen Politik. Sein politisches Ende sieht der 75-Jährige auch jetzt noch nicht gekommen.

„Forza Italia“, die Bewegung mit dem Namen eines Schlachtrufes aus dem Fußballstadion, war die eigentliche Neuheit, mit der Berlusconi 1994 erstmals die Parlamentswahlen gewann. Später benannte der Medienunternehmer die Bewegung in „Popolo della Liberta“ (PdL), also Volk der Freiheit, um. Noch heute nennt sich die Berlusconi-Partei so, aber nicht nur der Patron selbst hält das alte Kleid für ausgewaschen.

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2008 wurde die PdL stärkste Partei bei den Wahlen, aber inzwischen macht sie auch auf ihre Mitglieder einen desaströsen Eindruck. Nie wurden die innerparteilichen Klippen zwischen Berlusconi-Leuten und Mitgliedern der postfaschistischen Alleanza Nazionale (AN) überwunden. Nie gab es eine wirkliche personelle Erneuerung in der Partei, deren Exponenten immer wieder in Korruptionsskandale verwickelt waren. Bei den Kommunalwahlen im Mai straften die Wähler die PdL ab. Sie liegt in aktuellen Umfragen bei etwa 20 Prozent der Stimmen.

Nach seinem Rücktritt als Ministerpräsident im November 2011 koordinierte Berlusconi die von ihm geschaffene Kreatur aus dem Hintergrund. Die PdL trägt die Technokratenregierung von Mario Monti mit, der mit seiner Sparpolitik die notwendige schmutzige Arbeit macht. So entsteht ein für Berlusconi günstiges Paradox: Jeder Sparbeschluss Montis ist Wasser auf die Mühlen des zukünftigen Spitzenkandidaten, der als Ministerpräsident einmal Steuerhinterziehung rechtfertigte und im Wahlkampf Steuererleichterungen versprechen wird. Dass er selbst und seine Partei die Sparbeschlüsse mitgetragen haben, kann Berlusconi mit dem Druck der Märkte und der EU auf Italien rechtfertigen.

Die mutmaßliche Rückkehr Berlusconis als bestimmende Figur der politischen Rechten in Italien ist keine Überraschung. Zum einen war er nie ganz von der Bildfläche verschwunden. Zweitens gelang es Angelino Alfano, Berlusconis nominellem Nachfolger als Parteichef, nicht, aus dessen Schatten zu treten, auch weil Berlusconi dies zu verhindern wusste. Trotz aller Tiefschläge und Abspaltungen wie etwa der des Parlamentspräsidenten Gianfranco Fini ist dem Unternehmer die Kontrolle über seine Partei nie entglitten. Drittens gibt es neben der PdL immer noch keine bestimmende konservative Partei in Italien und damit auch keinen mehrheitsfähigen Konkurrenten im rechten Spektrum. Monti hat eine eigene Kandidatur für 2013 ausgeschlossen, die Christdemokraten dümpeln in Umfragen bei sieben Prozent.

Die zahlreichen Skandale und Gerichtsprozesse, die Berlusconi umranken, spielen bei seinen potenziellen Wählern weiterhin kaum eine Rolle. Soeben ist ein Prozess, in dem Berlusconi wegen Korruption angeklagt war, wegen Verjährung zu Ende gegangen. Seine Sympathisanten glauben weiterhin an die von den Berlusconi-Medien verbreiteten Thesen, es handelte sich bei Bunga Bunga und den Gerüchten um die minderjährige Prostituierte Karima el Mahroug wie bei den Anklagen wegen Betrug und Bestechung um inszenierte Angriffe seiner politischen Gegner oder kommunistischer Staatsanwälte.

Beinahe 20 Jahre Berlusconismus haben Spuren in Italien hinterlassen. Bei etwa 30 Prozent hat ein von Berlusconi beauftragtes Meinungsforschungsinstitut das Wählerpotenzial veranschlagt, das der Ex-Ministerpräsident auf sich vereinigen könnte, wenn er bei den Wahlen 2013 als Spitzenkandidat antritt.

Dennoch ist davon auszugehen, dass Berlusconi keinen derartigen Erfolg feiern wird. Für die Regierungsverantwortung fehlen dem Politiker die Verbündeten. Die Lega Nord, die nach einem Korruptionsskandal selbst um ihr politisches Überleben kämpft, hat sich von ihm abgewendet. Die Christdemokraten wollen künftig mit den Sozialdemokraten des Partito Democratico (PD) koalieren.

Denkbar wäre eine große Koalition zwischen PD und PdL, in die die Sozialdemokraten jedoch nicht unter der Führung ihres einstigen Erzfeindes einwilligen würden. In diesem Fall hätte Berlusconi dann immerhin seiner Partei ein ansehnliches Wahlergebnis verschafft und könnte sich auf sein eigentliches Altersziel konzentrieren, die Wahl in das Amt des Staatspräsidenten.

Bleibt die Frage, warum sich der 75 Jahre alte Politiker und Unternehmer nicht endlich aufs Altenteil zurückzieht. Berlusconis beinahe angeborener Protagonismus verbietet ihm dies. Eine andere Erklärung steckt in den Bilanzen seiner Familienholding Fininvest, die für 2011 einen Überschuss von gerade einmal 7,5 Millionen Euro auswies. Im Jahr zuvor waren es noch 160 Millionen Euro. Fininvest drücken etwa zwei Milliarden Euro Schulden. Berlusconi selbst gestand einst, zur Rettung seiner Unternehmen in die Politik gegangen zu sein. War dies damals zutreffend, dann heute umso mehr.

 
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