Martin Delius hatte so eine Ahnung. Im November vergangenen Jahres wollte der Abgeordnete der Berliner Piraten wissen, ob es im Terminal des neuen Flughafens womöglich Probleme mit der Statik gibt. Die Antwort von Bürgermeister Michael Müller ließ nicht lange auf sich warten. Nach Auskunft der Betreibergesellschaft, schrieb der Regierende zurück, „wurden in keinem Bereich des Terminals zu hohe Deckenlasten festgestellt“.
Ein knappes Jahr später steht Müller ziemlich blamiert da. Eher zufällig wurde bei Arbeiten auf der Baustelle festgestellt, dass im Dach der Haupthalle viel zu schwere Ventilatoren eingebaut wurden, mindestens einer von ihnen wiegt mit 4000 Kilogramm sogar doppelt so viel wie erlaubt. Ob das Gebäude mit seiner filigranen gläsernen Architektur deshalb bereits vom Einsturz bedroht ist, müssen jetzt die Statiker klären. Nachdem die Bauaufsicht die Arbeiten im Terminal inzwischen gestoppt hat, rückt der schon mehrfach verschobene Eröffnungstermin nun in noch weitere Ferne.
Weit über fünf Milliarden
Auf keiner Baustelle in Europa türmen sich die Probleme so wie auf der des neuen Flughafens im Südosten der Hauptstadt. Anstatt der geplanten zwei Milliarden wird der BER, wie der neue Airport in der Kürzelsprache des internationalen Flugverkehrs heißt, am Ende weit über fünf Milliarden kosten – wenn nicht noch mehr.
Nach dem Abgang des umstrittenen Flughafenchefs Hartmut Mehdorn kämpft auch sein Nachfolger Karsten Mühlenfeld mit den immer gleichen Problemen: Die Arbeiten an der komplizierten Brandschutzanlage kommen nicht wirklich voran, mit einer Kapazität von 27 Millionen Passagieren im Jahr ist der Flughafen schon vor seiner Fertigstellung viel zu klein, mehrere Korruptionsaffären werfen ein schummriges Licht auf das Beziehungsgeflecht zwischen dem Management und der Wirtschaft – und die Insolvenz des Gebäudeausrüsters Imtech kompliziert die Sache seit kurzem noch zusätzlich.
Pirat Delius, als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus ein Mann vom Fach, fordert bereits ein „realistisches Ausstiegszenario.“ Immer neue Durchhalteparolen brächten das Projekt nicht weiter, warnt er. „Im Gegenteil, sie verstellen den Blick auf das Wesentliche: die offensichtliche Erkenntnis, dass der BER längst ein gescheitertes Projekt ist.“ Union und SPD dagegen setzen nach wie vor auf einen Weiterbau des Milliardenunternehmens und die Schließung des gegenwärtigen Flughafens Tegel. Ursprünglich hätte der neue Hauptstadtflughafen schon im Oktober 2011 eröffnen sollen, ein zweiter Termin im Frühsommer 2012 wurde nur wenige Wochen vorher verschoben, weil die Brandschutzanlage nicht funktionierte.
Deutliche Worte der Opposition
Noch im Mai hatte der neue BER-Chef Mühlenfeld eine Inbetriebnahme im zweiten Halbjahr 2017 als „ganz sicher“ bezeichnet – nicht ahnend, dass wenige Monate später mit Imtech eine der wichtigsten Firmen auf der Baustelle in Insolvenz gehen würde. Welche Konsequenzen der Baustopp in der Haupthalle nun noch haben wird, vermag auch Bürgermeister Müller noch nicht zu sagen.
Er spricht ganz allgemein von einem neuen Rückschlag. Umso deutlicher wird die Opposition, nicht nur in Berlin, sondern auch in Brandenburg. Das jetzt bekannt gewordene Problem, kritisiert der Grünen-Abgeordnete Axel Vogel dort, „zeigt einmal mehr, dass die Flughafengesellschaft weder das Know-how noch die Erfahrung besitzt, ein solches Großprojekt zu stemmen“.
Die Zeiten, in denen die Pleiten und Pannen auf dem Flughafen vor allem ein Problem seines Vorgängers Klaus Wowereit waren, sind vorbei. Als Müller im Dezember vergangenen Jahres dessen Nachfolge im Roten Rathaus übernahm, entschied er sich wie Wowereit gegen einen Experten an der Spitze des Flughafen-Aufsichtsrates – und übernahm den Vorsitz selbst.