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Beim Gesetzesvorschlag zum Mindestlohn fehlten die Zahlen über die Folgekosten
Teresa Bechtold
Teresa Bechtold
 |  aktualisiert: 16.04.2015 10:38 Uhr

Als Vorsitzender des Normenkontrollrats ist Johannes Ludewig dem Bürokratieabbau verpflichtet. Im Interview spricht der ehemalige Bahnchef über die Herausforderungen bei Mindestlohn und Maut und wo er die Länder in der Pflicht sieht.

Frage: Das Mautgesetz ist vor kurzem im Bundesrat abgelehnt worden. Einige Länder schätzen den veranschlagten Gewinn von 500 Millionen Euro als zu hoch ein. Auch der Normenkontrollrat hat diese Zahl vor einiger Zeit in einer Stellungnahme kritisiert. Konnte das Verkehrsministerium Ihnen daraufhin klare Zahlen vorlegen?

Johannes Ludewig: Das Ministerium hat die Zahlen vorgelegt. Unsere Prüfung hat ergeben, dass sie plausibel sind. Unsere Aufgabe ist auch nicht, das Gesetz als solches und die damit verbundene politische Zielsetzung infrage zu stellen, das ist Sache der Politik. Unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass das Ministerium die jeweiligen Kostenfolgen eines Gesetzes nachvollziehbar und plausibel darstellt. Das ist hier geschehen.

Trotzdem haben Sie Zweifel an dem Gesetz geäußert.

Ludewig: Wir haben darauf hingewiesen, dass wir Bedenken hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem Kostenaufwand und den zu erwartenden Einnahmen haben. Laut Verkehrsministerium soll das Mautgesetz einmalig 379 Millionen Euro kosten und jährlich dann noch mal 202 Millionen Euro. Demgegenüber stehen jährliche Einnahmen von 700 Millionen Euro. Das ist eine schon eher ungewöhnliche Relation für ein Vorhaben dieser Art, und dies haben wir dem Ressort gegenüber und in unserer Stellungnahme zum Ausdruck gebracht.

Wie hat das Verkehrsministerium auf diese Kritik reagiert?

Ludewig: Das Ministerium hat die politische Bedeutung dieses Gesetzgebungsvorhabens unterstrichen und im Übrigen die Risiken eventuell höherer Kosten bzw. niedrigerer Einnahmen mit praktisch null beziffert. Wir haben dies zur Kenntnis genommen, der Normenkontrollrat hält aber weiterhin das Verhältnis zwischen Kosten und Einnahmen für ungewöhnlich.

Der Normenkontrollrat hat im vergangenen Jahr an die 300 Regelungen überprüft. Wie viel Zeit davon hat das Mindestlohngesetz in Anspruch genommen?

Ludewig: Beim Mindestlohn hatten wir eine ungewöhnliche Situation. Als der Vorschlag für dieses Gesetz ins Kabinett ging, lagen keinerlei Zahlen zu den Folgekosten vor. Die mussten wir unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen erst mit viel Nachdruck von der Leitung des zuständigen Bundesarbeitsministeriums einfordern. Das war mehr als ungewöhnlich.

Sie haben damals eine Rüge ausgesprochen, weil das Arbeitsministerium die sehr hohe Zahl von 9,6 Milliarden Euro an zusätzlichen Lohnkosten, die durch das Gesetz für die Wirtschaft entstehen, nicht kommuniziert hat.

Ludewig: Ja, so ist es. Nicht nur Angaben zu den zusätzlichen Lohnkosten haben in der Kabinettsvorlage gefehlt, sondern auch Zahlen zu den Kosten für die praktische Umsetzung des Gesetzes. Zum Beispiel 80 Millionen Euro, die dadurch entstehen, dass bei der Zollverwaltung 1600 zusätzliche Personalstellen geschaffen werden müssen, um die Einhaltung des Mindestlohns zu kontrollieren. Auf Druck des Normenkontrollrates hin sind die Zahlen dann während der Beratung des Gesetzes im Bundestag nachgeliefert worden. Spät zwar, aber so war am Ende doch gewährleistet, dass die Bundestagsabgeordneten in Kenntnis der Kostenfolgen dieses Gesetzes ihr Votum abgeben konnten.

Seit der Einführung des Mindestlohns ärgern sich viele Arbeitgeber und Wirtschaftsverbände über den Bürokratieaufwand, der durch die Dokumentationspflicht der Arbeitszeit entsteht. Sehen Sie das als Problem?

Ludewig: Wir haben vor Verabschiedung des Gesetzes sehr deutlich darauf hingewiesen, dass zusätzliche Dokumentationspflichten für die Unternehmen kommen werden. Das wurde allerdings größtenteils überlesen. Vor Verabschiedung des Gesetzes wurde in erster Linie über die zu erwartenden 9,6 Milliarden Euro an höheren Lohnkosten diskutiert. Jetzt merken Wirtschaftsverbände und Unternehmen, dass auch der Bürokratieaufwand für Arbeitgeber spürbar zunimmt.

Finden Sie, dass die Dokumentation der Arbeitszeiten vom Arbeitgeber zu viel verlangt ist?

Ludewig: Zunächst einmal: Wer A sagt, muss auch B sagen. Wenn ein Mindestlohn durch Gesetz eingeführt wird, dann ist es logisch, dass die Einhaltung des Gesetzes auch kontrolliert wird. Auf der anderen Seite lernt man in der Praxis immer auch dazu. Sowohl die Bundeskanzlerin als auch Bundesministerin Andrea Nahles haben gesagt, dass man aufgrund der Erfahrungen der ersten Monate überlegen will, ob und in welcher Weise man diese Belastungen reduzieren kann.

Wie wollen Sie das erreichen?

Ludewig: In diesem konkreten Fall haben Bundeskanzlerin und Bundesarbeitsministerin eine Prüfung der praktischen Umsetzung des Mindestlohngesetzes angekündigt, deren Ergebnis zunächst einmal abzuwarten ist. Generell ist es so, dass Bundesregierung und Bundesministerien in der Pflicht sind, von ihnen vorgesehene gesetzliche Regelungen so auszugestalten, dass der mit ihnen einhergehende Aufwand für Bürger, Unternehmen und Verwaltung so gering wie möglich ausfällt. Zur Prüfung gehört auch die Frage, ob sich das Ziel eines Gesetzes gegebenenfalls auf einem anderen Weg mit weniger Aufwand erreichen lässt.

Aktuell diskutieren Sie mit der Bundesregierung über eine Regelung, nach der die Kosten für jedes neue Gesetz anderswo eingespart werden müssen.

Ludewig: Eine solche Regelung führt dazu, dass Ministerien, bevor sie neue Gesetzgebungsvorschläge machen, sehr intensiv über die Kostenfolgen nachdenken, weil eventuell entstehende Mehrkosten an anderer Stelle eingespart werden müssen. Das erhöht naturgemäß den Druck auf die Ministerien, neue gesetzliche Folgekosten für Bürger, Unternehmen und Verwaltungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Foto: R. Jensen, dpa

„Wir als Nationaler Normen- kontrollrat prüfen die entsprechenden Kostenberechnungen der Ministerien.“
Johannes Ludewig, Vorsitzender des Normenkontrollrates
 
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