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FRANKFURT
Beihilfe zum Völkermord: 14 Jahre Haft für Ruander
Auf der Anklagebank: Onesphore Rwabukombe, ein früherer Bürgermeister aus Ruanda, im Oberlandesgericht Frankfurt.
Foto: Frank Rumpenhorst,dpa | Auf der Anklagebank: Onesphore Rwabukombe, ein früherer Bürgermeister aus Ruanda, im Oberlandesgericht Frankfurt.
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 11.12.2019 15:18 Uhr

Im ersten deutschen Prozess zum Völkermord in Ruanda ist ein ehemaliger ruandischer Bürgermeister wegen Beihilfe zu 14 Jahren Haft verurteilt worden. Das Oberlandesgericht in Frankfurt am Main befand den 56-jährigen Onesphore Rwabukombe am Dienstag für schuldig, 1994 ein Massaker an Hunderten Tutsi auf dem Kirchengelände des ruandischen Ortes Kiziguro mit befehligt, organisiert und überwacht zu haben. Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe. Die Verteidigung, die einen Freispruch gefordert hatte, kündigte Revision beim Bundesgerichtshof an.

Der Staatsschutzsenat des Gerichts begründete das hohe Strafmaß mit der Rolle des Angeklagten bei dem Massaker, die an der Grenze zur Mittäterschaft gelegen habe. Der Generalbundesanwalt hatte den Angeklagten als mittelbaren Täter mit einer besonderen Schwere der Schuld bezeichnet und lebenslange Haft gefordert. Bei dem Massaker waren am 11. April 1994 mindestens 450 Menschen niedergemetzelt worden.

Rwabukombe war Bürgermeister von Muvumba im Norden Ruandas und war mit seiner Gemeinde vor Gefechten in die Nähe von Kiziguro geflohen. Nach Erkenntnissen des Gerichts gab er dort gemeinsam mit anderen Autoritätspersonen einem wütenden Mob den Befehl zum Angriff auf das Kirchengelände, auf dem Hunderte Tutsi Zuflucht gesucht hatten. Daraufhin hätten Soldaten, Gendarmen, Milizionäre und mit Macheten bewaffnete Bürger das Gelände gestürmt und ein bestialisches Blutbad angerichtet. Der Angeklagte habe durch seine bloße Anwesenheit an der Seite örtlicher Machthaber in Kiziguro zu verstehen gegeben, dass der Angriff beginnen sollte, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel in der Urteilsbegründung.

„Der Angeklagte hat persönlich keinen Menschen getötet“, sagte Sagebiel. Doch er habe gewusst, dass das Töten der Flüchtlinge, darunter Frauen und Kinder, auf dem Kirchengelände unsäglich grausam sein würde. Die Anklage stützte sich vor allem auf Zeugenaussagen, da es keine Aufzeichnungen von dem Geschehen gab. Es wurden mehr als 100 Zeugen gehört, darunter Überlebende und verurteilte Mittäter.

Rwabukombe sitzt nach einer früheren Inhaftierung seit Juli 2010 in Untersuchungshaft. Er war 2002 nach Deutschland gekommen und erhielt Aufenthaltsrecht.

Beim Völkermord in Ruanda waren 1994 rund 800 000 Tutsi ermordet worden. Unter den Opfern waren auch gemäßigte Hutu. Völkermord-Verbrechen wiegen so schwer, dass sie nach dem Weltrechtsprinzip überall auf der Welt geahndet werden können.

Völkermord in Ruanda 1994

Hutu gegen Tutsi: Der Völkermord an den Tutsi in Ruanda schockierte 1994 die ganze Welt. Es waren Extremisten der Hutu-Mehrheit, die vor zwei Jahrzehnten in dem ostafrikanischen Land ein beispielloses Blutvergießen anrichteten. In rund 100 Tagen wurden etwa 800 000 Tutsi niedergemetzelt. Auslöser war der mysteriöse Abschuss des Flugzeugs von Präsident Juvenal Habyarimana, einem moderaten Hutu, am 6. April 1994. Noch in derselben Nacht begann das Morden. Die Massaker an den Tutsi schienen von langer Hand vorbereitet, Radiosender riefen zur Vernichtung der Minderheit auf, Milizen bekamen Todeslisten. Die Bezeichnungen Hutu und Tutsi stehen nicht für unterschiedliche Völker, sondern für soziale Gruppen wie Bauern und Viehzüchter. Nach Massakern an Tutsi 1959 flohen Tausende ins Nachbarland Uganda. Mit der Unabhängigkeit von Belgien 1962 gelangten die Hutu an die Macht. In den Folgejahren kam es immer wieder zu Massakern an den Tutsi. Im Exil bauten Tutsi-Flüchtlinge schließlich die Rebellengruppe „Ruandische Patriotische Front“ auf, die 1990 von Uganda aus Angriffe startete. Ein Friedensvertrag von 1993 sollte den Bürgerkrieg beenden. Doch der Abschuss der Präsidentenmaschine im April 1994 vereitelte dies. Von den rund zehn Millionen Einwohnern Ruandas gehören 80 bis 85 Prozent zur Volksgruppe der Hutu. Etwa zehn Prozent sind Tutsi. Text: epd

 
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