Schwere Geschütze fahren die beiden Oppositionsparteien im Bundestag gegen die Bundesregierung und die ihr unterstellten Behörden im Zusammenhang mit dem VW-Abgas-Skandal auf. Vom „größten Wirtschaftsskandal in der Geschichte der Bundesrepublik“ sprechen Grüne und Linke vor der letzten Sitzung des Abgas-Untersuchungsausschusses des Bundestags am Donnerstag, bei der auch der 699-seitige Abschlussbericht verabschiedet und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) übergeben werden soll.
Die Beweisaufnahme habe eindeutig ergeben, dass ein „organisiertes Staatsversagen“ den Abgasbetrug erst möglich gemacht habe, die Folge seien „Tausende vorzeitige Todes- und noch viel mehr Krankheitsfälle aufgrund verkehrsbedingter Luftschadstoffe“, sagten die Obleute der beiden Parteien im Ausschuss, Herbert Behrens von der Linken und Oliver Krischer von den Grünen, am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung ihres Minderheitenvotums.
Die Bundesregierung sei seit langem darüber informiert gewesen, dass Dieselautos zwar auf dem Rollenprüfstand die strengen Abgasgrenzwerte einhalten würden, nicht jedoch im Realbetrieb auf den Straßen. Gleichwohl seien entsprechende Berichte des Umweltbundesamtes ignoriert worden, das Kraftfahrtbundesamt habe eine „Kultur des Wegschauens“ unterstützt. Ihr Fazit: „Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hält weiterhin seine schützende Hand über die Automobilindustrie anstatt die Interessen von Umwelt, Gesundheit sowie der Verbraucher zu vertreten.“
Die Union weist dagegen diese Vorwürfe mit aller Entschiedenheit zurück. „Der Abgas-Skandal ist ein VW-Skandal und kein Skandal der Bundesregierung“, sagt der Obmann der CDU/CSU-Fraktion, Ulrich Lange. Der Ausschuss habe 13 Sachverständige und 57 Zeugen befragt, vier Gutachten erstellen lassen und 239 Aktenordner in die Beweisaufnahme einbezogen und sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass kein Mitglied der Bundesregierung von den Software-Manipulationen wusste.
Schwere Vorwürfe erhebt Lange in Richtung VW. „Das Aufklärungsinteresse von VW war gering.“ Der Auftritt des früheren VW-Chefs Martin Winterkorn vor dem Bundestagsgremium sei „enttäuschend“ gewesen, VW habe „eine Chance verspielt“, auch um verloren gegangenes Kundenvertrauen wiederzugewinnen.
Keinerlei Anhaltspunkte gibt es nach Ansicht des CSU-Politikers für den Vorwurf der Opposition, die Automobilindustrie habe einen zu starken Einfluss auf die Politik und bestimme das Regierungshandeln.
Im Entwurf ihres gemeinsamen Mehrheitsvotums schieben CDU/CSU und SPD den Schwarzen Peter nach Europa. „Im Zuge der Untersuchung wurde eine deutliche Unschärfe der europäischen Vorschrift zur Bewertung der Zulässigkeit und Unzulässigkeit von Abschalteinrichtungen deutlich“, heißt es. Diese „Regelungslücke“ konnten die Hersteller „systematisch ausnutzen“. Die Koalitionäre fordern daher eine Präzisierung des EU-Rechts.
Das wiederum geht Grünen und Linken nicht weit genug. Es könne nicht sein, dass das Kraftfahrt-Bundesamt sowohl für die Genehmigung neuer Fahrzeugtypen als auch für die anschließende Überwachung zuständig sei. „Wir brauchen endlich eine unabhängige Kontrolle“, fordert Oliver Krischer von den Grünen. Als Behörde käme das Umweltbundesamt infrage, das ähnliche Kompetenzen wie die Umweltbehörde im US-Bundesstaat Kalifornien erhalten solle. Zudem dürfte es künftig keine Zugeständnisse mehr an die Automobilhersteller bei der Einhaltung der Grenzwerte geben.