Experten des Bundestages haben Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von drei der vier eingebrachten Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe. Beanstandet wurden die fraktionsübergreifenden Entwürfe der Abgeordneten-Gruppen um Michael Brand (CDU), Peter Hintze (CDU) und Renate Künast (Grüne). Die Wortführer der kritisierten Gesetzesvorlage gaben sich am Mittwoch wenig beeindruckt von dem Gutachten, das der dpa vorliegt.
Der mit Abstand aussichtsreichsten Gesetzentwurf war von der Gruppe um Brand, Kerstin Griese (SPD), Kathrin Vogler (Linke) und Elisabeth Scharfenberg (Grüne) vorgelegt worden. An ihm wurde bemängelt, dass nicht ausreichend klar werde, wie die geplante Unterscheidung zwischen einer verbotenen geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe mit Wiederholungsabsicht und einer erlaubten Sterbehilfe im Einzelfall aus selbstlosen Motiven getroffen werden könne.
Kompetenzen überschritten
Der Entwurf einer Gruppe Koalitionsabgeordneter um Bundestagsvizepräsident Hintze überschreitet laut Gutachten die Kompetenzen des Bundesgesetzgebers zulasten der Länder. Die Gruppe will einen ärztlich assistierten Suizid ermöglichen, um das nach ihrer Einschätzung schärfere ärztliche Berufsrecht auszuhebeln. Dies bedeute aber einen Eingriff in das den Ländern obliegende Standesrecht.
Ähnliche Bedenken gebe es auch beim Entwurf einer Gruppe um Künast und Petra Sitte (Linke), der nur die kommerzielle („gewerbsmäßige“) Suizidhilfe bestrafen will. Zudem monieren die Bundestagsjuristen, dass nicht ohne weiteres ersichtlich ist, ob möglicherweise Ärzte gewerbsmäßig handeln und sich damit strafbar machten.
Der vierte Entwurf einer Abgeordneten-Gruppe um Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger (beide CDU) taucht in dem Gutachten nicht auf. Dem Vernehmen nach ist er zwar verfassungskonform, aber nicht mehrheitsfähig.
Brand erklärte: „Wir sind uns nach der Analyse führender Juristen sicher, dass die Autoren des Wissenschaftlichen Dienstes irren und wir uns auf die Verfassungsmäßigkeit unseres sehr sorgfältig und aufwendig erarbeiteten Gesetzentwurfes verlassen können.“ Scharfenberg argumentierte: „Nach dem ersten Eindruck vermag mich die Argumentation des Wissenschaftlichen Dienstes nicht zu überzeugen, zumal dieser ja auch keine abschließende Bewertung abgibt – und auch nicht abgeben kann, sondern lediglich gewisse Zweifel zum Ausdruck bringt.“
Auch Hintze geht weiter davon aus, dass der von seiner Gruppe vorgelegte Gesetzentwurf verfassungsgemäß ist. „Der Zweck der von uns angestrebten Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch ist die Stärkung der Patientenautonomie“, erklärte er.
Der Bundestag hat Anfang Juli in erster Lesung über die insgesamt vier fraktionsübergreifend erarbeiteten Gesetzentwürfe diskutiert. Im November wird eine Entscheidung erwartet.