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BERLIN
Beate Klarsfeld tritt gegen Gauck an
Beate Klarsfeld: Die 73-Jährige tritt bei der Wahl zum Bundespräsidenten als Gegenkandidatin zu Joachim Gauck an.
Foto: dpa | Beate Klarsfeld: Die 73-Jährige tritt bei der Wahl zum Bundespräsidenten als Gegenkandidatin zu Joachim Gauck an.
Von dpa-Korrespondent Michael Fischer
 |  aktualisiert: 27.02.2012 19:51 Uhr

Der Kölner Politik-Professor Christoph Butterwegge stoppte das Kandidatenkarussell der Linkspartei für die Bundespräsidentenwahl am Sonntagabend auf die rheinische Art. „Karneval ist vorbei“, verkündete der 61-Jährige nur wenige Stunden vor der entscheidenden Sitzung des Parteivorstands und zog sich damit aus dem Rennen zurück. Er habe nicht erwartet, dass es zur Kampfkandidatur eines Dreigestirns kommen würde, fügte er in Anspielung auf das traditionelle Kölner Karnevals-Trio zur Begründung hinzu.

Butterwegge machte damit nach einer tagelangen Hängepartie den Weg für die als Nazi-Jägerin bekannte Beate Klarsfeld frei, die einst – es war der 7. November 1968 – Kurt Georg Kiesinger wegen seiner früheren Mitgliedschaft in der NSDAP ohrfeigte und so weltberühmt wurde. Der Dritten im Bunde, Luc Jochimsen, wurden von Anfang an keine ernsthaften Chancen eingeräumt.

Butterwegge war nicht der Einzige, dem die Kandidatensuche bei der Linken wie die Prinzenkür bei einem Karnevalsverein vorkam. Dabei standen die Chancen zunächst gar nicht so schlecht, mit einer schnellen Entscheidung für eine Alternative zu Joachim Gauck das angeschlagene Image der Linken aufzupolieren.

Eine Idee von Gesine Lötzsch

Beate Klarsfeld war schon am vorletzten Wochenende eher zufällig in das Rennen um die Kandidatur gestartet. „Wenn ich mir eine Bundespräsidentin wünschen dürfte, dann wäre es eine Frau wie Beate Klarsfeld“, hatte Linke-Chefin Gesine Lötzsch auf einem Parteitag in Brandenburg gesagt. Damit wollte sie vor allem ihrem Unmut darüber Luft machen, dass Klarsfeld seit Jahren das Bundesverdienstkreuz verwehrt wird. Der Satz entwickelte aber eine gewisse Eigendynamik. Durch einen Zeitungsartikel erfuhr Klarsfeld von der Lötzsch-Äußerung, meldete sich prompt telefonisch bei der Linken-Chefin und erklärte sich zu einer Kandidatur bereit. Anschließend gab die 73-Jährige reihenweise Interviews, die sich so lasen, als wäre sie längst gekürt.

Nicht nur die PR in eigener Sache sorgte in der Linken für Irritationen. Auch die offene Ankündigung Klarsfelds, als Kandidatin keine Parteipositionen vertreten zu wollen, rief die Bedenkenträger auf den Plan. Die uneingeschränkte Solidarität der Deutsch-Französin zu Israel, und dass ihr Sohn Vertrauter des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy ist, taten ihr Übriges.

Das alles führte dazu, dass Butterwegge als Alternative zu Klarsfeld ins Spiel kam: Ein knallharter Hartz-IV-Gegner, der in Talkshows gerne mal vom „schweinischen Kapitalismus“ statt vom „rheinischen Kapitalismus“ spricht. Dadurch wurde die Kandidatensuche aber so weit verkompliziert, dass am vergangenen Donnerstag eine Einigung im ersten Anlauf scheiterte und die Linke wieder einmal als heillos zerstrittener Haufen dastand. Die Parteichefs Lötzsch und Klaus Ernst taten sich mit Erklärungsversuchen für das Kandidatenchaos am Montag schwer. „Wir sind keine Durchstellpartei“, meinte Ernst. Die Linke habe den Anspruch, eine Debatte über solch wichtige Fragen zuzulassen. Hauptsache sei, dass jetzt „ganz, ganz, ganz große Einmütigkeit“ herrsche. „Es gab heute keine Gegenargumente zu Frau Klarsfeld mehr.“

„Hoffe auf Stimmen“

Auf Umwegen hat die Linke jedenfalls das erreicht, was sie ursprünglich wollte: eine Kandidatin, die auch im Gauck-Lager gut ankommen könnte. „Ich hoffe, dass ich jetzt auch bei der CDU und der CSU einige Stimmen bekommen kann“, sagte Klarsfeld selbst, die sich am Montag noch in Paris aufhielt.

Die gebürtige Berlinerin Beate Klarsfeld ging bereits 1960 als Au-pair-Mädchen nach Paris, wo sie eine neue Heimat fand. Gemeinsam mit ihrem französischen Ehemann Serge machte sie das Aufdecken ungeahndeter Nazi-Verbrechen zu ihrer Lebensaufgabe: „Es muss Deutsche geben, die nicht einfach nur Gras wachsen lassen und alles unter den Teppich kehren.“ Der 73-Jährigen ist es unter anderem zu verdanken, dass der ehemalige Gestapo-Chef von Lyon, Klaus Barbie, 1983 von Bolivien ausgeliefert und in Frankreich verhaftet wurde.

 
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