Einst war er der Pop-Beauftragte der SPD. Inzwischen ist er nach Ansicht von Kritikern ihr Populismus-Beauftragter. Denn Sigmar Gabriel hat gut ein Jahr vor der Bundestagswahl populäre Themen besetzt: gegen die Macht der Banken und für eine höhere Besteuerung der Reichen.
Der frisch gebackene Vater gebiert damit trotz Babypause Schlagzeilen am laufenden Band. Sein Credo: „Die Bundestagswahl 2013 muss zu einer Entscheidung über die Bändigung des Banken- und Finanzsektors werden.“ Aus dem schwarz-gelben Lager schallt ihm prompt der Vorwurf von „billigem Populismus“ entgegen. Dabei tummeln sich aus Sicht vieler Bürger auch dort genug Populisten.
Am Wochenende erregte Gabriel Aufmerksamkeit mit der Forderung, die Reichen im Lande sollten mehr „sozialen Patriotismus“ zeigen, also mehr für das Gemeinwohl tun. Die Stichworte dazu: Reichensteuer oder Zwangsabgabe. Der SPD-Chef schwimmt dabei nicht ganz zufällig im Kielwasser populärer Forderungen eines Bündnisses aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Globalisierungskritikern.
Bei vielen Menschen im Land herrscht das Gefühl, die Verteilung der Lasten in der Krise werde zunehmend ungerechter – die Armen müssten ausbaden, was „die da oben“ verzocken. Viele schauen nach Frankreich, wo der neue Präsident François Hollande den Spitzensteuersatz auf 75 Prozent heraufsetzen will.
In Deutschland machte sich jüngst der bekennende Millionär Peter Vollmer, Mitorganisator der Initiative „Appell Vermögender für eine Vermögensabgabe“, für die Einführung einer Reichensteuer stark. Die Kluft zwischen Arm und Reich nannte er „unerträglich“. Und für seine Forderung nach Zerschlagung systemrelevanter Großbanken bekam Gabriel Beifall aus der Wirtschaft – vom Chef der weltgrößten Rückversicherung Munich Re, Nikolaus von Bomhard.
Solchen Zuspruch kann Gabriel brauchen, will er seine Partei doch von der Union unterscheidbar machen. Angela Merkels CDU hat auf sozialdemokratischem Terrain kräftig gewildert und mit einer Art Umarmungsstrategie etliche SPD-Themen besetzt – oder dies zumindest im Ansatz versucht, wie das Beispiel Mindestlohn zeigt. Und Kanzlerin Merkel als in der Eurokrise hart verhandelnde Anwältin deutscher Interessen genießt auch in rot-grünen Milieus einige Sympathien.
Beim Thema Energiewende kann die SPD nicht mehr punkten, weil sich die großen Parteien weitgehend einig sind. Und bei der Bewältigung der Eurokrise hat die SPD der schwarz-gelben Koalition bislang immer aus der Patsche geholfen. Da muss Gabriel sogar fürchten, dass die Wähler auch seiner Partei die Kosten der Euro-Rettung ankreiden.
Um Profil zu zeigen, lässt der SPD-Chef deshalb auf anderen Feldern Testballons steigen. Die Hoffnung schwingt sicher mit, dass ihm dies bei der voraussichtlich im Februar anstehenden Kür des SPD-Kanzlerkandidaten helfen könnte. Im Wettbewerb mit den anderen Mitstreitern aus der SPD-Troika – Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück – liegt Gabriel nämlich hinten.