Zahlreiche Todesopfer markieren seinen Weg durch die Karibik – nun richtet sich seine Zerstörungswut auf ein neues Ziel: Hurrikan „Sandy“ bewegte sich am Sonntag entlang der US-Ostküste nach Norden. Wo er richtig zuschlagen wird, konnte noch niemand sagen. Doch Wetterexperten und Fernsehsender warnten in einer Tour: Der Hurrikan könnte an Land Seite an Seite mit einer Kaltfront zum Monstersturm des Jahrhunderts mutieren. Unabhängig von „Sandy“ löste ein schweres Erdbeben vor der Küste Kanadas am Samstagabend einen Tsunami-Alarm auf Hawaii und an Teilen der Westküste aus. Die befürchteten Riesenwellen blieben aus.
„Sandy“ hatte in der Karibik mindestens 57 Todesopfer gefordert. Vor allem in den kubanischen Provinzen Santiago de Cuba und Holguín gab es schwere Zerstörungen. Der Hurrikan fegte mit 175 Stundenkilometern über den Osten des Landes hinweg. „Ich habe noch nie einen so starken Hurrikan erlebt“, sagte eine Einwohnerin der Stadt Palma Soriano dem Radiosender Rebelde. „Ich dachte, das Ende der Welt sei gekommen.“ Es kam zu Überflutungen in Küstengegenden, Flüsse traten über die Ufer und Häuser stürzten ein. Der Wind riss Bäume und Strommasten um. „Sandy“ brachte in Santiago de Cuba über 4000 Häuser zum Einsturz und beschädigte rund 27 000 weitere, teilten die Behörden mit.
Aus Angst vor Hurrikan „Sandy“ wurde in New York am Sonntagabend vorsorglich das gesamte Verkehrsnetz der Millionenmetropole lahmgelegt. Der befürchtete Monstersturm bremste auch den Präsidentschaftswahlkampf aus. Sowohl US-Präsident Barack Obama als auch Herausforderer Mitt Romney sagten Termine ab, um den Sturm zu umgehen.
Meteorologen erwarten, dass „Sandy“ an diesem Montagabend irgendwo zwischen Washington und Boston auf Land trifft. Der Streifen gehört zu dem am dichtesten besiedelten in Amerika. Dass Busse und Züge wie U-Bahnen wegen schlechten Wetters gestoppt werden, gab es bislang erst einmal: Als Hurrikan „Irene“ 2011 über New York hinwegzog. Der Sturm könne jedoch so viel Wasser auf das Land drücken, dass die Tunnel vollzulaufen drohen.
New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg forderte am Sonntag 375 000 Bewohner auf, wegen des drohenden Hurrikans ihre Häuser zu verlassen. Betroffen von den Zwangsevakuierungen sind vor allem die niedriger gelegenen Stadtteile im Süden Manhattans wie das bei Touristen beliebte Viertel Tribeca. „Dies ist ein ernst zu nehmender und gefährlicher Sturm“, warnte Bloomberg. Auch für schmale Inseln vor New York gab es am Sonntag Evakuierungsbefehle.
3000 Flüge gestrichen
Den ganzen Sonntag über warnten Radio- und Fernsehsender die Bevölkerung an der Ostküste vor einem drohenden „Frankenstorm“ – in Anlehnung an das von der Filmfigur Frankenstein geschaffene Monster. Airlines in den USA strichen nach Angaben eines Flugportals über 3000 Flüge. Wie der Flugtracker „FlightAware.com“ meldete, waren davon am Sonntag über 700 US-Flüge betroffen, die meisten mit Start- oder Zielpunkt New York.
Für Montag seien vorsorglich rund 2500 Flüge gecancelt worden, so die Internetplattform. Die Zahl der abgesagten Flüge könne sich je nach Sturmentwicklung noch erhöhen. Auch vom größten deutschen Flughafen in Frankfurt wurden erste Verbindungen nach Nordamerika gestrichen.
Nach dem Erdbeben vor Kanada riefen die Behörden an der US-Küste in Nord-Kalifornien und Süd-Oregon Tsunami-Alarm aus. Auf der Inselgruppe Haida Gwaii vor Kanada, unter der das Zentrum des Bebens in 17 Kilometer Tiefe lag, wurden einige Gebiete evakuiert. Berichte über Opfer oder auch größere Sachschäden gab es nicht. „Es sieht so aus, als seien sowohl die Auswirkungen als auch die Gefahren sehr gering geblieben“, sagte Shirley Bond, die für den Notstand in der kanadischen Provinz British Columbia zuständige Ministerin.