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Bangen um Schumacher
Warten in Grenoble Übertragungswagen aus aller Welt warten vor der Klinik auf Neuigkeiten vom Zustand des Ex- Formel-1-Weltmeisters. Er wird am Freitag 45.
Andrang der Medien: Journalisten vor der Klinik in Grenoble, in der Michael Schumacher behandelt wird.
Foto: dpa | Andrang der Medien: Journalisten vor der Klinik in Grenoble, in der Michael Schumacher behandelt wird.
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:41 Uhr

Der Zustand von Ex-Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher hat sich am Mittwoch offenbar stabilisiert. „Das ist für den Moment eine gute Nachricht. Ich betone: für den Moment“, sagte Schumachers Managerin Sabine Kehm vor dem Universitätskrankenhaus in Grenoble. Dort liegt der Rekordweltmeister seit vergangenem Sonntag. Schumacher hatte sich bei einem Skiunfall schwer am Kopf verletzt, musste zwei Mal operiert werden und ist im künstlichen Koma. Weltweit ist die Anteilnahme überwältigend.

Die Lage bleibe unverändert kritisch, sagte Kehm vor Schumachers 45. Geburtstag an diesem Freitag. „Michael wird weiter rund um die Uhr überwacht, die Ärzte kümmern sich sehr um ihn“, sagte Kehm. Prognosen wollte niemand abgeben. „Es lässt sich nicht sagen, was in den kommenden Tagen passiert“, so die Managerin. Und: „Es liegt noch ein langer Weg vor ihm“, betonte Jean-François Payen vom behandelnden Ärzteteam.

Die Kopfverletzungen sind gravierend. Schumacher erlitt bei dem Aufprall auf einen Felsen im Skigebiet von Méribel ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. In einer zweiten Operation war dem siebenmaligen Rekordchampion ein Hämatom in der linken Gehirnseite entfernt worden. Der Innendruck auf den Schädel konnte so verringert werden. „Wir haben mehr Zeit gewonnen“, sagten die Mediziner am Dienstag. Weitere 24 Stunden später betonte Kehm vor zahlreichen Kameras und Journalisten vor der Klinik: „Wir sind erst am dritten Tag nach dem Unfall, wir müssen mit den Einschätzungen alle sehr vorsichtig sein.“

Schumacher, dessen Helm Medienberichten zufolge bei dem Aufprall gebrochen war, hat offensichtlich noch weitere Blutgerinnsel im Gehirn. Die anderen Hämatome seien schwerer zugänglich, erklärten die Ärzte.

Ein Team von sieben Spezialisten kümmert sich um den 44-Jährigen, alles geschieht in enger Absprache mit Schumachers Familie, die sich in Grenoble aufhält. Sohn Mick (14) hatte zu der Ausflugsgruppe gehört, mit der Schumacher Skifahren war. Ehefrau Corinna, Tochter Gina-Maria (16), Bruder Ralf und Vater Rolf sind auch da. „Es ist immer jemand von der Familie bei ihm“, schilderte Kehm, die Schumacher zuerst als Sprecherin und jetzt als Managerin nahe steht. „Der Familie geht es nicht besonders gut, nähere Angaben kann und will ich dazu nicht machen.“

Sicherheitskräfte bewachen die fünfte Etage der Universitätsklinik. Dennoch versuchte ein Journalist, sich nach Kehms Darstellung als Priester verkleidet Zugang zum Krankenbett zu verschaffen. Langjährige Wegbegleiter wie Ross Brawn, zuletzt sein Teamchef bei Mercedes, oder Jean Todt, einst Teamchef bei Ferrari und jetzt Präsident des Internationalen Automobilverbandes, sind vor Ort. Weltweit bangen Ex-Kollegen und andere Sportler, Funktionäre wie FIFA-Präsident Joseph Blatter und auch der ehemalige US-Präsident Bill Clinton um Schumacher: „Ich bete für ihn und seine Familie.“

Schumachers schwerste Tage – trotz Unfällen in der Formel 1 und mit dem Motorrad – hatten mit einem Ski-Trip in Méribel begonnen. Dort verbringt er oft Weihnachten, Silvester und Geburtstage mit Familie und Freunden. Nachdem er am Sonntag einem Freund geholfen hatte, der auf einer markierten Piste gestürzt war, war Schumacher in den Tiefschneebereich zwischen zwei Pisten gefahren. Dort sei der 44-Jährige beim Ansatz zu einer Wende gegen einen Felsen gefahren und in die Luft geschleudert worden, berichtete Kehm, was ihr Begleiter erzählt hatten. Kopfüber sei er dann auf einen Felsen gestürzt. Nachdem er an Ort und Stelle von Bergrettern notversorgt und mit dem Hubschrauber ins Krankenhaus nach Motiers geflogen worden war, wurde er weiter zu den Traumaspezialisten nach Grenoble transportiert. Dort war Schumacher umgehend operiert worden.

Dass sich Schumachers Zustand am Montag so entwickelt hatte, dass die zweite, nicht geplante, Operation möglich war, hatte die Ärzte nach eigener Aussage überrascht. Der Überdruck im Schädel habe zuvor größte Besorgnis ausgelöst, sagte Payen. 48 Stunden nach dem Unfall betonte der Leiter der Anästhesie-Abteilung, dass die Situation „etwas besser unter Kontrolle“ sei.

Deutlich wurde bei den Ausführungen der Mediziner aber auch, wie schlimm es um Schumacher steht. „Wir müssen realistisch sein. Die ganze Familie ist sich im Klaren darüber, dass die Situation kritisch ist“, sagte Professor Gérard Saillant. Der Arzt ist seit Jahren mit Schumacher und dessen Familie befreundet. Nach dem Skiunfall war Saillant bereits am Sonntag in Grenoble angekommen.

Die Klinik ist um Normalität bemüht. Doch die Prominenz des Patienten Michael Schumacher stellt die Abläufe im Universitätskrankenhaus der französischen Stadt auf den Kopf. Das weltweite Medieninteresse ist riesengroß, unzählige Übertragungswagen warten vor dem Klinikgebäude. Seit Schumachers Einlieferung nach dem schweren Skiunfall am Sonntag können Journalisten ebenso im Krankenhaus ein- und ausgehen wie normale Besucher oder Angehörige von Patienten. Nur im fünften Stockwerk verwehren Sicherheitsleute den Zugang.

Bei allem Wirbel spricht Jean-François Payen, Chef der Anästhesie-Abteilung, ausdrücklich von „einer ganz normalen Behandlung“ für Schumacher. Jeder andere Patient werde auf die gleiche Weise medizinisch versorgt.

Traumazentrum Grenoble

Das renommierte Traumazentrum im französischen Grenoble gehört zum dortigen Universitätsklinikum – ein Haus mit rund 7000 Mitarbeitern, darunter sind etwa 1300 medizinische Kräfte. Das Centre Hospitalier Universitaire (CHU), so der französische Name der Klinik, verfügt über zwölf Abteilungen. Wegen seiner Lage in den Alpen kümmert sich das Traumazentrum zu rund 20 Prozent um die Folgen von Bergunfällen. Diese geschehen nicht nur beim Skilaufen, sondern auch beim Snowboard und Mountainbike-Fahren oder Wandern. Das Traumazentrum ist auch Teil eines Notfall-Netzwerks in den nördlichen Alpen. In der Einrichtung kümmern sich Spezialteams unter anderem um intensivmedizinische Behandlungen – auch bei Kindern – sowie um Neurochirurgie und Radiologie. Im Jahr 2009 wurden knapp 1000 Patienten mit lebensgefährlichen Verletzungen auf der Intensivstation im Nordkrankenhaus der Klinik aufgenommen – ein Viertel von ihnen hatte Unfälle in den Bergen. Zu den Ärzten, die Schumacher behandeln, gehört der Leiter der Anästhesie Jean-François Payen, der Chef der Neurochirurgie Emmanuel Gay sowie dessen Kollege Stephan Chabardes. Text: dpa/AZ

 
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