In den kommenden Tagen entscheidet sich, was aus dem Herzensanliegen des CSU-Bundestagsabgeordneten Reiner Meier wird. Nach dem Anruf bei Parteifreund Horst Seehofer, Bayerns Ministerpräsidenten. Gut möglich, dass der zu Meier sagt: Vergiss es. Es wäre ein Dämpfer für den 61-jährigen Oberpfälzer, aufgeben würde er deshalb nicht. Meier will aus den 16 Bundesländern elf machen, gerne auch acht oder sechs. Hauptsache weniger, denn „das spare Milliarden“. Seehofer soll das Thema Länderfusionen zum nächsten großen Projekt der Großen Koalition küren. Das ist die Idee, das ist der Plan.
Die Chancen stünden so gut wie selten, meint Meier, jetzt nachdem der Koalitionsvertrag weitgehend abgearbeitet sei. Wenn er sich da nicht täuscht. Als zuletzt der Vorschlag für Länderfusionen auftauchte, wurde er erst hitzig diskutiert, kurz darauf war er verschwunden. Dabei hatte ihn, immerhin, Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) geäußert – im Oktober. Ärmere Länder sollten zusammengelegt werden, um diese finanziell zu entlasten, falls dies nicht durch eine Altlastenregelung und die anstehende Reform des Länderfinanzausgleichs geschehe.
Seit Jahrzehnten in der Diskussion
Der läuft in seiner bisherigen Form Ende 2019 aus. Zudem greift von 2020 an die Schuldenbremse, die den Ländern die Aufnahme neuer Kredite verbietet. Vor allem die Geberländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen wollen nicht länger das Umverteilungssystem am Leben erhalten: Nur vier Bundesländer zahlen für die restlichen teils hoch verschuldeten zwölf Bundesländer, alleine aus Bayern flossen 2014 rund 4,9 Milliarden Euro. Die Verhandlungen sind festgefahren, die Zeit läuft. Und eine Lösung muss her, am besten bei der Ministerpräsidentenkonferenz im Juni – 2016 und 2017 sind Wahljahre.
Eine Neugliederung des Bundes wird seit Jahrzehnten diskutiert. Es ist wie mit Socken in der Waschmaschine: Sie drehen sich im Kreis, schrumpfen, verschwinden bisweilen und werden auf wundersame Weise von der Maschine wieder ausgespuckt. Letztmals glückte eine Fusion 1952 im Falle Baden-Württembergs. Dabei blieb es. Die Fusion von Berlin und Brandenburg scheiterte 1996 in einem Volksentscheid. Seehofer übrigens bügelte den Vorschlag Kramp-Karrenbauers ab, weil er ihn als Drohung empfand. Reiner Meier lässt sich davon nicht beirren.
Am 20. April bei der Sitzung der CSU-Landesgruppe in Berlin will er seine Idee vorstellen. Vergangene Woche beauftragte er den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags damit, auszurechnen, wie hoch die Einsparungen durch Länderfusionen sein könnten. Meier würde, etwas willkürlich, aus Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Bremen ein Bundesland machen, das Saarland mit Rheinland-Pfalz zusammenlegen sowie Brandenburg mit Sachsen-Anhalt und Berlin. Berlin als Bundeshauptstadt würde einen Sonderstatus erhalten.
Schuldenschnitt notwendig
Meier argumentiert wie Kramp-Karrenbauer. „Wenn eine Fusion stattfindet, müsste man über einen Schuldenschnitt reden wie bei Griechenland“, sagt er. Wenn beispielsweise Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Berlin fusionierten, „müsste der Bund die Schulden Berlins tilgen“. Sonst wäre eine Fusion ja unattraktiv. Das werde sich rechnen, meint er, weil die Einsparungen höher wären als die Altschulden. Meier hält sogar Steuersenkungen für möglich, wenn mehr oder weniger als die Hälfte der 16 Landesregierungen, Parlamente und Verwaltungsapparate wegfielen.
Der Bund der Steuerzahler und einige Experten sehen das Einsparpotenzial bei Hunderten Millionen Euro, andere warnen vor hohen Fusionskosten. In Bremen oder Sachsen-Anhalt sorgt Meiers Vorstoß für Kopfschütteln. In Sachsen-Anhalts SPD etwa glaubt man an einen Scherz. Hermann Kleen, Sprecher des Bremer Senats, also der rot-grünen Landesregierung, sagt: „Wir beschäftigen uns bestimmt nicht mit solchen Vorstößen aus Bayern, so lieb uns die Bayern auch sind.“ In Bremen wird im Mai eine neue Bürgerschaft gewählt – und nicht nur SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen kann getrost auf Diskussionen verzichten, die sich um die Abschaffung seines Amtes und seines Stadtstaates drehen. Kleen sagt dann noch etwas Böses über Hinterbänkler.
Meier ist Hinterbänkler, wenn auch einer mit besten Kontakten – zu Horst Seehofer. Von 2006 bis 2013 war er dessen Büroleiter.