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BERLIN
Auf nach Jamaika: Das ist das Fazit der ersten Sondierungen
Jamaika-Sondierungen starten       -  Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin, wo die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition stattfinden. Von links nach rechts: Thomas Kreuzer, Fraktionsvorsitzender der CSU im Landtag, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), FDP-Chef Christian Lindner, Peter Altmaier (CDU), Chef des Bundeskanzleramts, CSU-Chef Horst Seehofer, CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer.
Foto: Michael Kappeler, dpa | Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin, wo die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition stattfinden.
Ludwig Sanhüter
Ludwig Sanhüter
 |  aktualisiert: 26.10.2017 03:25 Uhr

Ein paar Schritte nur sind es vom Kanzleramt, dem Zentrum der Macht, zur noblen Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft direkt gegenüber dem Reichstag, einst das Palais des Reichstagspräsidenten, dem Ort der vertraulichen Hintergrundgespräche und der informellen Absprachen. An diesem Mittwoch jedoch liegen Welten zwischen den beiden markanten Gebäuden im Berliner Regierungsviertel.

Im Kanzleramt trifft sich noch einmal das Alte, Vertraute und auch Bewährte und handelt, als sei nichts geschehen. Und doch zeichnet sich zeitgleich in der Parlamentarischen Gesellschaft schon das Neue, Unbekannte und auch Ungewisse am Horizont ab.

In Berlin beginnt an diesem sonnigen und milden Oktobertag eine neue Zeit, eine Zwischenzeit, in der nichts mehr gewiss und vieles offen ist. Im Kanzleramt kommen am Vormittag die Minister der Großen Koalition zur 165. Sitzung des Bundeskabinetts in dieser Legislaturperiode zusammen, die Ressortchefs von CDU, CSU und SPD beschließen ohne große Diskussion die Fortsetzung zahlreicher Auslandseinsätze der Bundeswehr, so in Afghanistan und in Mali, im Südsudan und im Irak.

Dabei sind Außenminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel und seine Kollegen von der SPD längst Minister auf Abruf. Ab Dienstag, wenn sich der Bundestag konstituiert hat, sind sie nur noch geschäftsführend im Amt – bis eine neue Regierung gebildet ist, der sie auf keinen Fall mehr angehören werden.

Informelle Gespräche im Vorfeld

Wie die neue Regierung aussehen wird, die nach den internen Vorstellungen bis Weihnachten gebildet werden soll, entscheidet sich derweil ab mittags ein paar Meter weiter in der Parlamentarischen Gesellschaft, wo die Delegationen von CDU und CSU, angeführt von den beiden Parteichefs Angela Merkel und Horst Seehofer, erst mit den Vertretern der FDP und danach mit einer Kommission der Grünen beraten.

In Berlin gilt es als ausgemacht, dass Christdemokraten, Christsoziale, Liberale und Grüne seit der Wahl zahllose informelle Gesprächen geführt haben. Entsprechend harmonisch verlaufen die Gespräche. Die Verantwortung ist allen bewusst. Die Verhandlungen müssen zu einem Erfolg geführt werden. Für ein Scheitern und Neuwahlen will niemand die Verantwortung übernehmen.

Für Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen steht sogar noch sehr viel mehr auf dem Spiel: „Gerade in Zeiten, da wieder Abgeordnete im Bundestag das Wort ergreifen werden, die andere ,jagen‘ und ,entsorgen‘ wollen, braucht es eine Regierung, die in Anmutung und Erzählung eine demokratische Antwort auf diesen Rechtruck gibt“, sagt sie gegenüber dieser Redaktion. Das heiße nicht, „dem rechtsnationalen Diskurs hinterherzulaufen, sondern Lösungen für die Probleme unserer Zeit zu bieten“, so die frühere Grünen-Chefin.

Zwischen Union und Liberalen sind die Schnittmengen eh groß. Die drei Generalsekretäre Peter Tauber (CDU), Andreas Scheuer (CSU) und Nicola Beer (FDP) sprechen hinterher unisono von „konstruktiven und kreativen Gesprächen“, bei denen bereits „diverse Themen“ angesprochen wurden. Er habe „ein gutes Gefühl“, dass es am Ende „eine gute Regierung“ geben werde, sagt Tauber.

Kubicki soll Parlamentsvize werden

In der FDP gibt es derweil eine überraschende Personalie: Vizeparteichef Wolfgang Kubicki soll einer der stellvertretenden Bundestagspräsidenten werden. Das bestätigte FDP-Chef Christian Lindner. Damit sind die beiden wichtigsten Personalentscheidungen der FDP im Parlament gefallen. Lindner bleibt vorerst Fraktionschef und Kubicki, der ebenfalls auf den Fraktionsvorsitz geschielt hatte, wird Parlamentsvize. Lindner will der Fraktion am Freitag Kubicki für den neuen Posten vorschlagen.

Deutlich länger dauern die Gespräche mit den Grünen, in denen intensiv und kontrovers debattiert wird. Gleichwohl heißt es in der Union wie bei den Grünen, dass man es „ernst“ meine und gemeinsam nach Positionen ringe, die vier Jahre tragen. Dies sei ein „starkes Signal, wenn es darum geht, Trennendes in unserer Gesellschaft zu überwinden“, sagt Tauber am Abend, auch Grünen-Generalsekretär Michael Kellner sagt, dass man Lösungen suche, „wie Zusammenhalt in der Gesellschaft organisiert werden kann“. Bei so viel Einigkeit will CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nicht im Abseits stehen. „Wahlkampf beendet, Atmosphäre okay“, sagt er, man habe sich „intensiv abgetastet“.

Der Weg nach Jamaika sei weit, es gebe noch „diverse Abstände in den Auffassungen“, doch „die Marschrichtung stimmt“. Auch Parteichef Horst Seehofer ist zufrieden. „Für den ersten Tag war es nicht schlecht.“

 
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