Er war das Zünglein an der Waage. Kaum ein anderer Politiker stand in diesen Tagen in Europa derart im Rampenlicht wie Paul Magnette. Der 45-jährige Sozialdemokrat ist seit 2014 Regierungschef des südlichen Teils Belgiens, der Wallonie. Noch vor wenigen Tagen war sein Name außerhalb des Landes nahezu unbekannt. Der in Löwen unweit von Brüssel geborene Politologe hatte einen Brief an die EU-Kommission geschickt – und darin seine Bedenken am Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada geäußert: „Wenn wir jetzt unterzeichnen, kaufen wir die Katze im Sack“, hatte er getönt. Ab da genoss er größte Aufmerksamkeit von Belgiens Regierung und von der EU-Kommission. Denn das belgische System sieht vor, dass alle fünf regionalen Regierungen dem Handelsabkommen zustimmen müssen. International war Magnette bis dahin ein eher unbeschriebenes Blatt. Aber ein Neuling auf der Politbühne ist er nicht: 2007 begann sein rasanter Aufstieg mit einem Ministerposten in der wallonischen Regierung.
Noch im selben Jahr wurde er als Ressortchef für Klima und Energie in die föderale Regierung nach Brüssel berufen – unter anderem unter Guy Verhofstadt, dem heutigen Chef der Liberalen im Europäischen Parlament; er ist inzwischen einer seiner größten Kritiker. Und Magnette könnte schnell weiter aufsteigen. Schon 2013 stand der 43-Jährige, der nebenher noch Bürgermeister der Stadt Charleroi ist, schon mal an der Spitze der Partie Socialiste. Doch Magnette gab den Vorsitz an den langjährigen Parteichef Elio Di Rupo zurück. Womöglich könnte es bald zu einem neuerlichen Wechsel an der Spitze kommen. Denn die Sozialdemokraten, die deutlich weiter links stehen als die deutsche SPD, verlieren zunehmend Stimmen an die kommunistische Partei des Landes. Es wäre nicht überraschend, würde Magnette den Parteivorsitz für sich beanspruchen. Der Politologe, der seinen Professorentitel bereits mit Anfang 30 erlangte, unterrichtet bis heute an der Universität von Brüssel. Sein Fachgebiet: Europa. Mehrere Bücher hat er dazu bereits verfasst, darunter „Was ist die Europäische Union“ oder „Ist die Kommission der beste Freund der kleinen Mitgliedstaaten?“.
Sein jüngstes Werk: „Die Linke stirbt nie“. Magnette führte immer wieder Zweifel an den Regelungen zum Investorenschutz, aber auch Arbeitnehmerinteressen als Grund für das Nein seiner Region zu Ceta an. Eine Äußerung des Parteigenossen Di Rupo legt nahe, worum es Magnette eigentlich geht: Man demonstriere der Welt, „dass wir Prinzipien haben“. Im wallonischen Parlament feierte er die Zugeständnisse, die er erreicht hat: Ceta sei nun ein „besserer Vertrag“ und das wallonische Regionalparlament in aller Welt berühmt.