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Auf dem Weg zur automatischen Gesichtserkennung
Videokamera       -  Die Kameras sind auf deutschen Bahnhöfen längst allgegenwärtig. Nun könnte es eine Nachrüstung mit Systemen zur Gesichtserkennung geben.
Foto: Paul Zinken, dpa | Die Kameras sind auf deutschen Bahnhöfen längst allgegenwärtig. Nun könnte es eine Nachrüstung mit Systemen zur Gesichtserkennung geben.
Von unserem Mitarbeiter Simon Kaminski
 |  aktualisiert: 22.06.2017 03:25 Uhr

Der erste Versuch war kein Erfolg: Als Anfang 2007 am Mainzer Hauptbahnhof die Anlage zur automatischen Gesichtserkennung abgeschaltet wurde, war die Bilanz des Pilotprojekts ernüchternd. Das Bundeskriminalamt musste einräumen, dass die Erkennungsrate der Kamerasysteme noch nicht einmal 60 Prozent erreicht hatte. Eine Quote, die dazu führte, dass diese Fahndungsmethode zunächst nicht weiterverfolgt wurde.

Doch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere sieht die Zeit längst reif, der Technik im Kampf gegen Kriminalität und Terrorismus eine neue Chance zu geben. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Vorstoß des CDU-Politikers von der turnusmäßigen Frühjahrskonferenz der Innenministerkonferenz (IMK), die heute zu Ende geht, unterstützt wird. Das hat nicht nur mit der erhöhten Terrorgefahr zu tun, sondern auch mit der Weiterentwicklung der Technik.

So geht der Biometrie-Experte Alexander Nouak vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung davon aus, dass moderne, lernfähige Systeme in der Lage sind, eine Erkennungsquote jenseits der 90-Prozent-Marke zu erreichen. Nouaks Fazit im Deutschlandfunk: „Ich glaube, dass solche Anlagen gerade an Bahnhöfen oder an Flughäfen durchaus hilfreich sein können.“ Allerdings gelte das nur, wenn an diesen Orten konsequent ein Verbot durchgesetzt wird, das Gesicht komplett oder teilweise zu verdecken.

Nachdem die Union einig ist, die Technik einzusetzen, befürwortet auch der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) den Vorschlag de Maizieres.

Lewentz signalisierte auch zu einem weiteren Punkt aus dem Katalog des Bundesinnenministers zur Terrorbekämpfung Zustimmung. Er unterstützt dessen Vorschlag, den Sicherheitsbehörden Zugriff auf Messenger-Dienste wie Whatsapp zu erlauben. Dazu müssten die Behörden die Möglichkeit erhalten, in begründeten Einzelfällen die Texte noch vor einer Verschlüsselung zu lesen. „Eine sehr vernünftige Forderung“, sagte Lewentz. „Wenn wir den Auftrag haben, innere Sicherheit zu gewährleisten, müssen wir das auch da können, wo über Terrorismus Kommunikation geführt wird“, sagte der Minister dem Deutschlandfunk.

Als ein Knackpunkt galt bisher die Frage, ob es für ein Mitlesen solcher Nachrichten im Internet einer richterlichen Anordnung bedarf. Verschiedene Sicherheitsexperten hatten bezweifelt, dass dies praktikabel sei, wenn Gefahr im Verzug ist. Lewentz deutete nun die Möglichkeit an, dass Richter eine solche Maßnahme dann auch nachträglich bestätigen könnten.

„Wenn wir den Auftrag haben, innere Sicherheit zu gewährleisten, müssen wir das auch da können, wo über Terrorismus Kommunikation geführt wird.“
Roger Lewentz (SPD), Innenminister in Rheinland-Pfalz

Eine Einigung der Innenministerkonferenz in der Frage, ob in Zukunft auch minderjährige terrorverdächtige Jugendliche unter 14 Jahren durch den Verfassungsschutz überwacht werden dürfen, erscheint hingegen ausgeschlossen. „Das ist undenkbar. Das geht nicht, das wollen wir nicht. Man muss Grenzen ziehen“, erklärte Lewentz unmissverständlich. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte dies, wie sein sächsischer Amtskollege Markus Ulbig (CDU), auch deshalb gefordert, um Mehrfachidentitäten bei Flüchtlingen zu verhindern, beziehungsweise aufzudecken.

Ob Herrmann, sein Ziel erreicht, eine deutschlandweite Schleierfahndung durchzusetzen, ist zweifelhaft. Bisher nutzen bis auf die beiden Stadtstaaten Berlin und Bremen und der Flächenstaat Nordrhein-Westfalen alle Länder diese Methode – sprich die Kontrolle abseits der Grenzen zu den Nachbarländern.

Bereits vor dem Regierungswechsel in NRW hatte die CDU angekündigt, dass auch das bevölkerungsreichste Bundesland mit Grenzen zu Holland und Belgien die Schleierfahndung einführen werde. Doch in den Koalitionsverhandlungen mit der FDP wurde nun vereinbart, statt der Schleierfahndung eine „strategische Fahndung“ zu vereinbaren. Der grundlegende Unterschied: Die NRW-Spielart soll zwar verdachtsunabhängig, aber nur anlassbezogen sein.

Polizeikontrollen ohne einen speziellen Anlass sind bislang auf einen 30-Kilometer-Gürtel hinter den Bundesgrenzen beschränkt, sollten nach der Überzeugung von Joachim Herrmann aber auch in der Nähe von Flughäfen, Bahnhöfen und Rastplätzen möglich sein. Der Innenminister verwies darauf, dass der Freistaat 150 neue Stellen dafür bereitgestellt habe. Die Schleierfahndung sei eine Erfolgsgeschichte: Inzwischen gebe es jährlich 20 000 Zugriffe. Mit Informationen von dpa

 
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