Sofort nach den Anschlägen von Paris ließen amerikanische Geheimdienste keinen Zweifel daran, was sie für eine bessere Terror-Abwehr haben wollen: einen leichteren Zugriff auf verschlüsselte Daten.
CIA-Direktor John Brennan verwies darauf, dass die Verbreitung von Krypto-Technologien „den Geheimdiensten den Einblick erschwert, den sie brauchen“. Er hoffe, dass der Terror in Paris auch „ein Weckruf“ vor allem für die Europäer sein werde, sagte der Geheimdienstchef bei einer Veranstaltung in Washington.
Allerdings wurden bisher keine Hinweise darauf bekannt, dass die Attentäter von Paris verschlüsselte Kommunikation nutzten. Die Auswertung von Daten eines Handys aus einem Müllkorb in der Nähe des angegriffenen Clubs „Bataclan“ führte die Ermittler nach Angaben der Staatsanwaltschaft zum Versteck im Vorort Saint-Denis, wo der mutmaßliche Drahtzieher Abdelhamid Abaaoud dann bei dem Polizeieinsatz ums Leben kam.
Sicherheitsexperten warnen dennoch verstärkt, dass die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) massiv auf Verschlüsselung setze. So sei bei ihr der Messenger des Startups Telegram aus Berlin besonders beliebt, erklärte jüngst die amerikanische Internet-Analysefirma Flashpoint. Der Dienst sperrte daraufhin zumindest einige öffentlich zugängliche Propaganda-„Channels“, die Extremisten zugerechnet werden.
Hinter Telegram stehen der herausgedrängte Gründer der russischen Facebook-Kopie VKontakte, Pawel Durow und sein Bruder Nikolaj. Viele wechselten zu der Firma aus Datenschutz-Sorgen, als Facebook den Konkurrenten WhatsApp kaufte.
„Die Terroristen werden Verschlüsselung nutzen, keine Frage“, sagt der russische IT-Sicherheitsexperte Eugene Kaspersky. „Aber jede Hintertür für die Behörden ist auch potenziell eine für Online-Kriminelle.“ Wenn man diesen Weg gehe, werde die Sicherheit für alle geschwächt.
Die beste Lösung, die ihm aktuell einfalle, wäre, dass die Regierungen Quantencomputer entwickeln, die heute unüberwindbare Verschlüsselungs-Algorithmen knacken könnten, sagt der Virenjäger. „Die Kosten wären dabei so hoch, dass nur Staaten sich das leisten könnten - und selbst diese die Technologie mit Bedacht und nicht wahllos gegen alles und jeden einsetzen würden.“
Die Bundesregierung stimmt nicht in den Chor der Verschlüsselungs-Kritiker ein. Beim nationalen IT-Gipfel vergangene Woche wurde das Ziel ausgegeben, Deutschland solle „Verschlüsselungs-Standort Nr. 1 auf der Welt werden“. Dabei gelte der Krypto-Eckpunkte-Beschluss aus dem Jahr 1999, der „gezielte Schwächung oder Regulierung von Verschlüsselungstechniken“ ablehnt.
Die Frage ist aber, wie sehr nun der Druck auf die Internet-Riesen in ihrem Heimatland USA steigt. Nach den Enthüllungen von Edward Snowden über die ausufernde Internet-Überwachung setzt das Silicon Valley auf Verschlüsselung. Aktuell brüsten sich etwa Apple und Google damit, dass sie an Daten auf Smartphones mit den neuesten Versionen ihrer Betriebssysteme auch selbst nicht herankommen und sie damit auch nicht herausrücken können.
Aus Sicherheitsbehörden wurde ihnen schon vorgehalten, damit das Leben Unschuldiger aufs Spiel zu setzen.
Im Sommer überlegten ranghohe Beamte des Justizministeriums und der Bundespolizei FBI der „New York Times“ zufolge sogar schon, Apple vor Gericht zu zerren. In einem „Kriminalfall um Drogen und Waffen“ hätten sie mit Gerichtsbeschluss gefordert, dass Apple Nachrichten aus der SMS-Alternative iMessage in Echtzeit aushändige.
Apple entgegnete demnach, das sei technisch nicht möglich. Am Ende habe der iPhone-Konzern einige gespeicherte Mitteilungen aus dem Online-Dienst iCloud herausgerückt, wo sie unverschlüsselt gespeichert würden. Die Debatte über Verschlüsselung sei bisher von den Snowden-Enthüllungen beherrscht worden, sagte der frühere CIA-Vizechef Michael Morell nach den Anschlägen im Fernsehsender CBS. „Ich denke, wir werden jetzt eine andere Debatte darüber haben. Sie wird davon bestimmt werden, was in Paris geschehen ist.“
Bei Internet-Aktivisten ließen die neuerlichen Attacken auf die Verschlüsselung die Alarmglocken schrillen. „Es ist seltsam, dass die Regierung nicht Schlüssel zu Häusern oder Autos verboten hat“, ätzte Peter Sunde, ein Mitgründer der Datentausch-Plattform „The Pirate Bay“, am Montag auf Twitter.