Die deutschen Gastgeber bemühen sich, das Thema kleinzuhalten. Zum Auftakt seien „nur ganz wenige Sätze“ über die Lage in Griechenland gewechselt worden, hieß es aus Verhandlungskreisen. Doch weil das kleine Euroland – mal wieder – am Abgrund steht, kommen auch die sieben führenden westlichen Wirtschaftsmächte nicht daran vorbei, beim G7-Treffen in der sächsischen Landeshauptstadt den drohenden Staatsbankrott Griechenlands zu thematisieren.
Obwohl das Hellas-Drama offiziell nicht auf der Tagesordnung steht, ist Athen in Dresden allgegenwärtig. Krisendiplomatie in den Hinterzimmern eines Nobelhotels in der Innenstadt lag allein deshalb auf der Hand, weil sämtliche Geldgeber Griechenlands an die Elbe gereist waren.
Eines wird rasch klar: So schnell, wie es die griechische Links-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras glauben macht, wird es in dem monatelangen Gezerre um neue Finanzspritzen für Athen keinen Durchbruch geben. „Die griechische Lesart wird hier in Dresden von niemandem geteilt“, sagte ein Verhandlungsführer.
Es gebe trotz erster Fortschritte noch keine „handfesten Ergebnisse“, stellte auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, klar. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte, man sei in der Sache noch nicht sehr viel weitergekommen. Auch aus der Europäischen Zentralbank (EZB) war zu hören, man sei noch weit entfernt von einer Einigung.
Die Amerikaner, die in Dresden durch US-Finanzminister Jack Lew mit am Verhandlungstisch sitzen, dringen darauf, das Griechenland-Problem endlich aus der Welt zu schaffen. Die USA warnen: Sollte die Rettung Griechenlands scheitern, würde das nicht nur die sozialen Probleme in dem Mittelmeerland verschärfen, sondern könnte auch Gefahren für die europäische Wirtschaft und sogar für die Weltwirtschaft mit sich bringen. Jack Lew fordert in den Verhandlungen mit Athen mehr Flexibilität – allerdings gehören die USA auch nicht direkt zu den Geldgebern Griechenlands, allenfalls indirekt als größter Anteilseigner des IWF. Lews größte Sorge ist es, dass die Europäer die Lage unterschätzen.
Von Horrorszenarien lassen sich die Europäer indes nicht drängen – obwohl sich die Lage zuspitzt: Allein im Juni muss Athen etwa 1,55 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen und sucht dafür verzweifelt nach Geldquellen, die Gefahr eines Euro-Austritts Griechenlands („Grexit“) ist nicht gebannt. Doch die Europäer bleiben aus mehreren Gründen hart. Sie pochen darauf, dass nicht erneut nur kurzfristig Finanzlöcher gestopft werden und die Methode Tsipras nicht Schule macht in anderen Euro-Ländern. Es gehe darum, Griechenlands Wirtschaft dauerhaft auf ein solideres Fundament zu stellen und die Währungsunion als Ganzes als stabile Staatengemeinschaft zu erhalten.
Vorsorglich bauen Griechenlands Geldgeber für den schlimmsten Fall – einen „Grexit“ – vor: „Hoffen wir, dass es nicht dazu kommt. Falls doch, bin ich überzeugt, dass der Euro das überleben wird“, sagte IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard dem „Handelsblatt“. „Wir haben untersucht, was passieren könnte, wenn die Krise auf andere Länder übergreift. Die EZB hat die Mittel, um das in den Griff zu kriegen.“
Im Falle Griechenlands sieht mancher Notenbanker die Grenze für EZB-Hilfen allerdings längst erreicht: Seit Monaten hält die EZB Griechenlands Banken mit Notkrediten (Ela/„Emergency Liquidity Assistance“) über Wasser, die eigentlich als Kurzfrist-Unterstützung für im Grunde liquide Banken gedacht sind. Aktuelles Ela-Volumen: 80,2 Milliarden Euro.
Schäuble versuchte, in Dresden die leidige Griechenland-Debatte so weit wie möglich zu umgehen und andere Akzente zu setzen. Vor Beginn der Beratungen mit den G7-Partnern nahm der Minister in der Dreikönigskirche an einem Gottesdienst teil – geladen hatte dazu das Entschuldungsbündnis „erlassjahr.de“, Thema: „ . . . wie auch wir vergeben unseren Schuldnern“. Den Organisatoren geht es um einen fairen Umgang mit überschuldeten Staaten. Kaum anzunehmen aber ist, dass Schäuble nach den mahnenden Worten des sächsischen Landesbischofs Jochen Bohl der griechischen Regierung jetzt entgegenkommt und weitere Schulden streicht.
Um diese Themen geht es beim G7-Treffen der Finanzminister in Dresden
Lage der Weltwirtschaft: Nach der Geldschwemme der Notenbanken geht es vor allem um nachhaltiges Wachstum. Deutschland macht sich für Schuldenabbau und einen schrittweisen Ausstieg aus der Politik des billigen Geldes stark – bei gleichzeitigen Reformen. Thema ist auch die Vorsorge für absehbare Risiken wie die Alterung der Gesellschaft. Steuern: In diesem Jahr wollen die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) ihr Maßnahmenpaket gegen Steuertricks und Gewinnverlagerungen internationaler Konzerne endgültig schnüren. In Dresden geht es deshalb vorab um die Frage, wie die gemeinsamen Standards konkret umgesetzt werden sollen. Finanzmarkt: Zusätzliche Kapitalpuffer sollen sicherstellen, dass im Krisenfall bei großen Banken ausreichend Mittel zu deren Sanierung beziehungsweise notfalls Abwicklung zur Verfügung stehen. So soll verhindert werden, dass kriselnde Institute mit Steuergeld gerettet werden müssen. Die G20 haben vereinbart, dass 30 globale, systemrelevante Banken dickere Polster anlegen sollen. Staatsanleihen: Im Gegensatz zu Krediten müssen Banken Staatsanleihen nicht mit teurem Eigenkapital in der Bilanz absichern. Das macht die Papiere für Finanzinstitute attraktiv, erhöht aber tendenziell die Abhängigkeit zwischen Staaten und Banken. Die Bundesbank bemüht sich seit Jahren, die Sonderbehandlung von Staatsschulden in den Bilanzen zu beenden – nicht zuletzt wegen der schlechten Erfahrungen aus der jüngsten Krise. Bundesbank-Chef Jens Weidmann macht sich nicht nur für eine Absicherung durch Eigenkapital stark, sondern fordert auch eine Obergrenze für Banken, sich Staatsanleihen auf die Bücher zu laden. Terrorismusfinanzierung: Terrorgruppen wie der Islamische Staat (IS) sind längst nicht mehr nur auf Großspenden angewiesen, sie beschaffen sich Geld zunehmend auch auf anderen Wegen. Die G7 wollen über Lücken im Kampf gegen solche Finanzströme beraten sowie über neue Wege, um Vermögenswerte von Terroristen schnell einfrieren zu können. Ukraine: Über ein internationales Hilfspaket sollen gut 40 Milliarden Dollar für die Ukraine bereitgestellt werden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) steuert rund 17,5 Milliarden Dollar bei. Hinzu kommen Hilfen einzelner westlicher Staaten. Weil das nicht reicht, verhandelt die ukrainische Regierung mit weiteren Geldgebern – darunter auch Russland –, um Kiews Staatsschulden auf ein tragfähiges Niveau zu senken. 15 Milliarden Dollar sollen durch Restrukturierungen zusammenkommen. Dabei geht es um den Verzicht auf Forderungen, niedrigere Zinsen sowie Laufzeitverlängerungen. Text: dpa