Mit Beginn des Fastenmonats Ramadan hat das syrische Militär eine massive Gegenoffensive gegen die Aufständischen gestartet. Wie Augenzeugen berichteten, ließ Präsident Baschar al-Assad am Sonntag erstmals einen Außenbezirk der Hauptstadt massiv bombardieren. Vor den Bürgerkriegswirren sollen nach Angaben des Roten Kreuzes binnen zwei Tagen 30 000 Menschen über die libanesische Grenze geflüchtet sein. Die Arabische Liga wollte am späten Sonntagabend über die Lage beraten.
In Israel gibt es Befürchtungen, die syrischen Massenvernichtungswaffen könnten in den Bürgerkriegswirren in die Hände der libanesischen Hisbollah oder des internationalen Terrornetzwerks El Kaida fallen. Verteidigungsminister Ehud Barak hatte am Freitag im TV-Sender Channel 10 gesagt, Israels Militär bereite sich auf eine solche Entwicklung vor. Syrien besitzt das größte Chemiewaffen-Arsenal im Nahen Osten, unter anderem die Kampfstoffe Sarin und Senfgas. Dass Assad die Waffen gegen die eigene Bevölkerung einsetzt, hält der Experte Ejal Zisser vom Dajan-Zentrum für strategische Studien in Tel Aviv für unwahrscheinlich. Trotzdem treibt die Angst vor Übergriffen immer mehr Menschen in die Flucht.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR schätzt, dass seit Beginn der Aufstände vor 16 Monaten rund eine Million Syrer aus Angst um ihr Leben ihre Heimatstädte verlassen hat. Syrien hat 21 Millionen Einwohner. Die Versorgungslage habe sich durch die Kämpfe in Damaskus auch in der Hauptstadt verschlechtert, berichtete ein Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Beirut. Viele Geschäfte hätten geschlossen, alles sei teurer geworden. Es fehle an Milch für Kinder, Hygieneartikeln und Medikamenten.
In Damaskus hat das Militär nach Augenzeugenberichten am Sonntag den Außenbezirk Barse mit Raketen beschossen. Dort bekriegen sich Regimetruppen und Aufständische heftig. Ein syrischer Journalist berichtete dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira von heftigen Explosionen: „Es ist das erste Mal, dass Damaskus dermaßen massiv bombardiert wird.“ Heftige Kämpfe wurden auch aus anderen Stadtteilen, der nördlichen Handelsmetropole Aleppo und etlichen Regionen des Landes gemeldet.
Kämpfe auch in Damaskus
Nach Angaben der Opposition hatte das Militär am Samstag den Vorort Schaba überrannt. Im Damaszener Oberklasse-Viertel Al-Messe, wo viele höhere Offiziere der Sicherheitskräfte leben, gelang es den Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) am Samstag nach eigenen Angaben, einen Militärstützpunkt einzunehmen. Menschenrechtsbeobachter zählten allein am Samstag mindestens 180 Tote durch Kämpfe in ganz Syrien.
Den Aufständischen gelang es indes, mehrere wichtige Grenzübergänge zur Türkei und zum Irak unter ihre Kontrolle zu bringen. Arabische Fernsehsender zeigten Bilder vom Übergang Bab al-Salem nördlich von Aleppo, auf denen Kämpfer mit der Rebellenfahne zu sehen waren. Andere demontierten ein lebensgroßes Assad-Bild, das das Dach des Abfertigungsgebäudes geziert hatte.