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ANKARA/DAMASKUS
Assad behindert Erdogan beim Kampf gegen die Kurden
SYRIA-CONFLICT       -  Bis zur Erschöpfung arbeiten syrische Zivilschützer, um verletzte Opfer der Bombenangriffe der syrischen Armee auf das von Rebellen kontrollierte Ost-Ghuta aus den Trümmern zu retten.
Foto: Abdulmonam Eassa, afp | Bis zur Erschöpfung arbeiten syrische Zivilschützer, um verletzte Opfer der Bombenangriffe der syrischen Armee auf das von Rebellen kontrollierte Ost-Ghuta aus den Trümmern zu retten.
Susanne Güsten       -  Susanne Güsten war Korrespondentin in der Türkei.
Susanne Güsten
 |  aktualisiert: 03.03.2018 02:55 Uhr

Eine Intervention zur Terrorbekämpfung und zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung im Nordwesten Syriens – so sieht die Türkei ihren Einmarsch in der Region um die Stadt Afrin. Doch mehr als einen Monat nach Beginn der Aktion kann von Ruhe und Ordnung keine Rede sein. Der Vormarsch gegen die Kurdenmiliz YPG kommt nur langsam voran, und jetzt erhalten die Kurden auch noch Unterstützung von Milizen, die dem syrischen Staatschef und türkischen Erzfeind Baschar al-Assad ergeben sind. Ankara hat das Eingreifen der Damaskus-treuen Kräfte nicht verhindern können. Die Entwicklung macht eines deutlich: Ohne Absprache mit Assad wird der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan in Syrien nicht weiterkommen. Offiziell schließt die Türkei solche Zugeständnisse an Syrien aus. Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin warnte am Mittwoch, jeder Unterstützer der Kurden in Afrin sei ein „legitimes Ziel“ für die türkische Armee. Der Präsident selbst spielte das Eingreifen der Milizen als Einzelaktion von „Terroristen“ herunter.

Mit Artilleriebeschuss hatten die Türken am Dienstag versucht, das Vorrücken der syrischen Milizen zur Unterstützung der YPG in Afrin zu verhindern, doch der Versuch scheiterte: Ein Kommandeur der Milizen sagte der Nachrichtenagentur Reuters, seine Kämpfer seien in Afrin angekommen und hätten das Feuer der Türken erwidert. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA meldete die Ankunft weiterer regierungstreuer Kämpfer in Afrin, die gegen die „fortgesetzte Aggression des türkischen Regimes“ in die Schlacht zögen.

Assad ist zwar kein Freund der kurdischen Minderheit in Syrien, hat aber ein Interesse daran, den Türken eine Niederlage beizubringen. Für Erdogan bedeutet Assads Schachzug zusätzliche Probleme, auch wenn bisher keine offiziellen syrischen Regierungstruppen in Afrin aufgetaucht sind, sondern lediglich regierungstreue Milizen. Damit droht eine immer tiefere Verwicklung der Türken in den Syrien-Konflikt, was für Erdogan innenpolitisch riskant ist: Er hat seinen Wählern eine Strafmission gegen die Kurden versprochen, nicht einen Krieg gegen Assad.

Mit jedem Tag wächst deshalb der Druck auf Erdogan, etwas zu tun, was er seit Jahren partout vermeidet: den direkten Kontakt zu Assads Regierung zu suchen. Der türkische Präsident strebt die Entmachtung Assads an – wenn er jetzt das Gespräch mit Damaskus suchen müsste, um sich in Afrin aus einer Notlage zu befreien, wäre das ein schwerer Gesichtsverlust für Erdogan, der seit Jahren als Beschützer syrischer Regimegegner auftritt. Eine Kooperation zwischen Ankara und Damaskus im syrischen Krieg würde dazu beitragen, die Türkei noch weiter aus dem Lager des Westens herauszulösen – ein strategisches Ziel der Russen.

Wer kämpft eigentlich gegen wen in Syrien?

In Syrien wechseln die Bündnisse immer schneller, neue Kampfgruppen tauchen auf und verschwinden wieder. Von außen steuern Regional- und Großmächte den Stellvertreterkrieg. Doch auch in der Region Afrin ist die Lage verworren. Kurden Sie sind in dem Konflikt je nach Lage mit ganz unterschiedlichen Parteien verbündet, die sich teilweise bekämpfen. Den YPG genannten kurdischen „Volksschutzeinheiten“ gelang es, im Norden Syriens große Gebiete einzunehmen. Eines davon ist das jetzt umkämpfte Afrin. Schon unter dem früheren Präsidenten Hafis al-Assad beklagten sich die Kurden über Diskriminierung. Viele von ihnen besaßen lange keine Staatsbürgerschaft. Mit der „Selbstverwaltung“ wollen sie ihren Traum von mehr Autonomie verwirklichen. In Afrin kooperieren die Kurden dennoch mit der Regierung in Damaskus – anderswo bekämpfen sich die beiden aber. Zum Beispiel im Osten des Landes. Denn gleichzeitig entwickelte sich die YPG in Syrien zum wichtigsten Partner der US-geführten internationalen Koalition im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). US-Soldaten unterstützen die Miliz am Boden. Das führt nun zu einer bizarren Konstellation: In Afrin paktieren die Kurden mit der syrischen Regierung, die wiederum mit dem kurdischen Verbündeten USA verfeindet ist. Türkei In Afrin verfolgt Ankara mit der „Operation Olivenzweig“ offiziell das Ziel, „Nordsyrien von allen terroristischen Elementen zu säubern“. Tatsächlich richtet sich die Offensive gegen die YPG, den syrischen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Syrisches Regime Reguläre Truppen und Regierungsanhänger haben nach schweren Misserfolgen mittlerweile wieder die größten Teile des Landes eingenommen. Zu verdanken hat Präsident Baschar al-Assad das vor allem seinen Verbündeten Russland und Iran. Assad verfolgt das Ziel, das gesamte Land wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Rebellen Sie sind sowohl mit der Regierung in Damaskus als auch mit den Kurden verfeindet. In Afrin kämpfen Rebellenmilizen an der Seite der Türkei, von deren Unterstützung sie abhängen. Allerdings sind die im Bürgerkrieg ins Hintertreffen geraten und kontrollieren nur noch wenige Gebiete. Russland Moskau ist einerseits ein wichtiger Verbündeter der syrischen Regierung, tritt aber andererseits zusammen mit dem Iran und der Türkei als Schirmherr von Verhandlungen auf. Zudem kooperierten die Russen mit den Kurden. Der russische Außenminister Lawrow warnte vor einer Spaltung des Landes und forderte die Türkei dazu auf, mit Damaskus in Dialog zu treten. Man betrachte die Kurden nicht als Terroristen. dpa
 
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