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WÜRZBURG
„Arbeit zu den Menschen bringen“
Das Gespräch führte Michael Deppisch
 |  aktualisiert: 11.12.2019 20:01 Uhr

Er ist Bayerns Wirtschaftsminister, stellvertretender Ministerpräsident und seit Samstag auch noch Spitzenkandidat der FDP bei der Landtagswahl im Herbst: Martin Zeil muss derzeit viel unter einen Hut bekommen. Dennoch fand er am Sonntagabend Zeit, den Neujahrsempfang der FDP in Würzburg zu besuchen. Hier stand er dieser Zeitung für ein Gespräch zur Verfügung.

Frage: Herr Zeil, gefallen Ihnen die aktuellen Umfrageergebnisse für Ihre Partei?

Martin Zeil: Gefallen kann mir das natürlich nicht. Aber man darf Umfragen auch nicht überschätzen, es sind und bleiben eben momentane Stimmungsmessungen. Und es hat sich ja bei früheren Wahlen immer wieder gezeigt, dass die Wahlergebnisse sich doch oft sehr stark von den Umfragewerten unterscheiden. Das liegt auch daran, dass sich die Wähler immer später entscheiden, wo sie ihr Kreuzchen machen.

Allzu viele werden das wohl bei der FDP nicht sein . . .

Zeil: Ach, wissen Sie: Wir haben derzeit in Bayern keine Wahl. Als ich 2007 als Spitzenkandidat gestartet bin, hatten wir auch noch keine acht Prozent in den Umfragen. Daran sieht man ja, wie groß das Potenzial ist. Wir haben noch viel Zeit, den Menschen zu sagen, was wir in den vergangenen Jahren geleistet haben. Und dass in Bayern – nicht zuletzt wegen uns als Motor und im Einzelfall auch als Korrektiv in der Regierung – vieles besser und moderner geworden ist.

Und mit der Ex-Wiesn-Chefin Gabriele Weishäupl haben Sie ja vor wenigen Tagen eine sehr prominente Mitstreiterin ins Wahlkampfteam geholt.

Zeil: Ich kenne Frau Weishäupl seit vielen Jahren und ich weiß, dass sie eine Liberale ist – ihr bisheriger Job war ja auch keine politische Funktion. Ich freue mich in der Tat sehr, dass es uns gelungen ist, eine so erfahrene und respektierte Frau für uns zu gewinnen.

2013 dürfte konjunkturell ein nicht ganz leichtes Jahr werden: Kann in einer solchen Situation der bayerische Wirtschaftsminister das Thema Wahlkampf auch einmal vollkommen ausklammern?

Zeil: Aber sicher, wir müssen ja unserer Verantwortung gerecht werden – und das bis zum Wahltag, an dem entschieden wird, ob wir unseren Auftrag weiterführen können. Wir sind als Politiker zu allererst für die Menschen da. Daher bin ich auch – trotz Wahlkampf – täglich in Angelegenheiten der Standortsicherung unterwegs.

In Zeiten einer sich eintrübenden Konjunktur . . .

Zeil: In der Tat werden wir in diesem Jahr eine gewisse konjunkturelle Abkühlung haben. Aber wir starten aus einer sehr starken Position – gerade auch am Arbeitsmarkt. Aber natürlich müssen wir auf der Hut sein. Daher haben wir den Haushalt so ausgestaltet, dass wir notfalls mit zusätzlichen Initiativen eingreifen können.

Kann sein, dass Sie dafür demnächst mal nach Franken kommen müssen: Die Zahl der Unternehmen, die Kurzarbeit beantragen steigt, und die Arbeitsagentur Schweinfurt warnt bereits von einer heiklen Situation am Arbeitsmarkt. Sieht man in München die Lage Nordbayerns vielleicht zu rosig?

Zeil: Wir übersehen da ganz sicher nichts. Und das Thema Kurzarbeit ist ja keineswegs auf den Norden beschränkt. Ich halte es für richtig, dass wir mit der Kurzarbeit ein Instrument haben, das es den Unternehmen ermöglicht, ihre Leute trotz einer Eintrübung zu halten, statt sie zu entlassen.

Noch mal: Es gibt bereits Unternehmen, die Jobs abbauen – oder es angekündigt haben.

Zeil: Ja, aber man muss sehen, dass das sehr branchenabhängig ist. So haben wir ja – und zwar auch in Nordbayern – immer noch mittelständische Unternehmen, die händeringend Fachkräfte suchen. Wir haben da im Moment ein recht differenziertes Bild: Wenn ein Unternehmen etwa stark in Südeuropa engagiert ist, dann leidet es natürlich unter der derzeit sehr schwachen Nachfrage aus diesen Ländern.

Generell hat die Weltwirtschaft an Schwung verloren – droht uns 2013 ein konjunktureller Einbruch?

Zeil: Nein, es zeichnet sich nicht im Entferntesten eine Dramatik ab wie vor vier Jahren, als wir bei der Jahreswende 2008/09 tief in eine weltweite Rezession geschlittert sind. Und das ist vor allem deswegen nicht der Fall, weil wir in wichtigen Märkten wie den USA einen positiven Trend sehen und in China oder Indien allenfalls eine leichte Abkühlung, aber keinen Einbruch.

Lassen Sie uns beim Süd-Nord-Gefälle in Bayern bleiben: Es gibt ja durchaus Indikatoren, die zeigen, dass sich der Gegensatz zwischen dem reichen und auch bei der Bevölkerung wachsenden Süden und dem Norden weiter verschärft . . .

Zeil: Wir haben das sehr genau im Auge. Und auch hier ergibt sich ein differenziertes Bild. So gibt es in Unterfranken etwa die Region Würzburg, für die Prognosen ja einen Bevölkerungszuwachs vorhersagen. Aber natürlich haben wir Regionen, wo Handlungsbedarf besteht.

. . . und das wäre?

Zeil: Das geht vom Aktionsprogramm demografischer Wandel mit Sondermitteln in Höhe von 1,3 Milliarden Euro bis hin zur Bildungspolitik. Vor allem aber wollen wir die Arbeit zu den Menschen bringen – deshalb habe ich dafür gesorgt, dass die Mittel für die regionale Wirtschaftsförderung so hoch sind wie noch nie in der Geschichte des Freistaats Bayern.

Aber fällt auch Bayern nicht bei der Infrastruktur im internationalen Vergleich immer weiter zurück?

Zeil: Beim Breitbandausbau haben wir die Fehler meiner Vorgänger ausgebügelt und spielen bei diesem wichtigen Zukunftsfeld nun wieder ganz vorne mit. Bei Schiene und Straße stellt sich schlicht das Finanzierungsproblem: Wir haben unseren Beitrag geleistet – aber wir brauchen vom Bund her eine bessere Unterstützung.

Zur Infrastruktur gehört auch die Energieversorgung: Braucht Bayern nicht einen eigenen Energieminister?

Zeil: Den gibt's ja – der sitzt vor Ihnen.

. . . auf Ihrer Visitenkarte steht aber: Ministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie.

Zeil: Ach wissen Sie, wir haben auch im Energiebereich die wichtigsten Zuständigkeiten bei uns im Haus – das ist ja anders als im Bund, wo es eine Zersplitterung gibt. In Bayern gibt es da kein Zuständigkeitsproblem. Der Punkt ist vielmehr: Wir müssen das, was man bei der Ausgestaltung der Energiewende im Bund vergessen hat – Rahmenbedingungen schaffen für Ersatzkapazitäten, Maßnahmen gegen teure Strompreise oder eine bessere Steuerung beim Ausbau der erneuerbaren Energie – jetzt nachholen.

Martin Zeil

Seit dem 30. Oktober 2008 ist Martin Zeil (56) bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie sowie stellvertretender Ministerpräsident. Der FDP-Politiker (Mitglied bei den Liberalen seit 1974) ist studierter Jurist und arbeitete für eine Münchner Privatbank. FOTO: Müller/Text: md

 
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