Lieferengpässe für mehrere Arzneimittel gegen Schilddrüsenerkrankungen sorgen derzeit auch in unterfränkischen Apotheken für Empörung. Der Hessische Apothekerverband hat schon vor zwei Wochen Alarm geschlagen, nun ziehen Apotheker in Bayern nach, bestätigt auf Anfrage dieser Zeitung Thomas Metz, Sprecher des Bayerischen Apothekerverbandes. „Wenn die Produktion auf Kante genäht ist, kann es grundsätzlich knapp mit Nachschub werden.“
Schon seit Wochen hake es bei Präparaten mit Jod und vor allem bei Tabletten mit L-Thyroxin-Wirkstoffgehalt von 88 und 112 Mikrogramm. Dabei sind es genau diese Zwischendosierungen, die es Patienten unmöglich machen, mit verschiedenen Präparaten und unterschiedlichem Wirkungsgehalt zu jonglieren.
Schilddrüsenexperte Dr. Maximilian Scheubeck vom Schilddrüsenzentrum Würzburg rät dennoch zu Gelassenheit. „Glücklicherweise haben die Präparate eine lange Halbwertzeit.“ Bei Patienten mit einer Unterfunktion der Schilddrüse allerdings wird der Verzicht auf die Präparate schnell problematisch. „Der Stoffwechsel wird langsamer, das kann zu Müdigkeit, starkem Schwitzen, Gewichtszunahme, Reizbarkeit bis hin zur Depression führen“, erklärt Scheubeck. Millionen Deutsche leiden an Krankheiten der Schilddrüse mit unterschiedlichen Folgen. Schilddrüsenhormone beeinflussen Stoffwechsel, Kreislauf, Wachstum und Psyche.
Mit ausreichendem Nachschub an Medikamenten ist nach Ansicht von Experten kurzfristig nicht zu rechnen. „Wir werden inzwischen von den Herstellerfirmen auf Ende November vertröstet“, sagt Christian Machon, Vorstandsmitglied der bayerischen Landesapothekerkammer aus Unsleben (Lkr. Rhön-Grabfeld). Apotheker Machon hängt gleich noch ein spöttisches „Wer's glaubt, wird selig“ hintenan. Er hat die Nase voll vom Warten auf Arzneimittel, deren Herstellung kein Zauberwerk ist. Manchmal, so sagt er, würde er am liebsten selbst zur Tat schreiten und die Mittel einfach in seiner Apotheke herstellen.
„Die Patienten sind doch die Leidtragenden in diesem System.“ Mit diesem System meint Machon die Jagd nach billiger Produktion im Ausland, angestoßen durch Rabattverträge, die die Krankenkassen mit einigen wenigen Herstellerfirmen schließen und die die Preisspirale immer weiter nach unten dreht. Wirkstoffe wie L-Thyroxin sind nach Ansicht des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) nicht für Rabattverträge geeignet, dennoch haben Krankenkassen wie etwa die Techniker Krankenkasse (TK) mit den vier Herstellerfirmen von Schilddrüsenpräparaten, Merck, Hexal, Hennig und 1 A Pharma, Lieferverträge abgeschlossen. Das bestätigt der Pressesprecher der bayerischen TechnikerKrankenkasse, Peter Schieber.
„Allerdings zahlen wir für 70 Prozent der Versicherten die Originalpackung, das ist dann der Fall, wenn der Arzt eine Unverträglichkeit der anderen Präparate feststellt.“ Laut Vertrag mit den Herstellern, so Schieber, müssten Lieferschwierigkeiten sofort gemeldet werden, ansonsten drohten empfindliche Vertragsstrafen. „Für Schilddrüsenpräparate liegen uns derzeit keine Lieferunfähigkeitsmeldungen vor.“
Gegenüber dem hessischen Apothekerverband indes begründeten die Hersteller ihre Lieferprobleme damit, dass die Nachfrage größer sei als die Produktionszahlen.
Nicht überrascht vom Lieferengpass für Schilddrüsenarznei ist der Würzburger Fachapotheker für Arzneimittelinformation, Rolf Schindler: „Die Entwicklung war abzusehen.“ Lieferengpässe seien längst auch für andere Medikamente an der Tagesordnung. „Leidtragende sind die Patienten. Hier ist jetzt die Politik gefragt“, so Schindler. „Und ein Gesundheitsminister, der durchblickt.“