
Polizisten mit Schutzwesten und Maschinenpistolen patrouillieren über den belebten Bremer Marktplatz, Mannschaftswagen stehen vor Rathaus und Parlament. Immer wieder fragen Passanten die Uniformierten am Samstag, was los sei. Der Grund für die hohe Polizeipräsenz wäre geeignet, Angst zu verbreiten, doch die meisten Menschen in der Hansestadt bleiben gelassen. Auch wenn einigen etwas mulmig zumute ist. „Ich wollte erst gar nicht kommen“, sagt eine ältere Dame. Von der Warnung vor einer möglichen islamistischen Bedrohung hatte sie am Morgen gehört. Angst mache ihr der zunehmende Terrorismus in Europa schon. Aber: „Ich dränge das weg.“
Eine solche Polizeipräsenz mit offen getragenen Waffen erleben die Bremer selten. Den Grund dafür erfahren sie erst am Sonntag: Im Zentrum der Ermittlungen steht eine Gruppe Salafisten rund um einen Libanesen, der sich Waffen für den Weiterverkauf beschafft haben soll. Die Behörden können einen geplanten Anschlag nicht ausschließen. Zwei Männer werden vorübergehend festgenommen, es werden aber keine Waffen gefunden. Die Sicherheitsmaßnahmen werden zurückgefahren. „Die Lage hat sich etwas entschärft“, sagt Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) am Sonntag sichtlich erleichtert.
Salafisten-Hochburg
Bremen ist eine Salafisten-Hochburg: 360 Menschen hat der Verfassungsschutz auf seiner Liste. Insgesamt sind von Bremen aus 19 Erwachsene Richtung Syrien ausgereist. Seit Monaten haben die Bremer Sicherheitsbehörden die Gruppe von Salafisten im Visier, die sich offenbar bewaffnen wollte. Am Freitagabend werden dann die Bremer Erkenntnisse durch den Hinweis einer Bundesbehörde konkretisiert. Bei den Bremer Sicherheitsbehörden gehen „alle Lampen auf rot“, Mäurer handelt sofort. Die Polizei fährt an neuralgischen Punkten in der Stadt auf, im Hintergrund laufen die Ermittlungen auf Hochtouren.
Eineinhalb Tage lang bleibt aber unklar, was die Sicherheitsbehörden in der Hansestadt umtreibt. Die Polizei lässt nur spärlich Informationen in die Öffentlichkeit dringen. Die Rede ist von einem „Sicherheitsnetz“, das über die Stadt gespannt sei, von „operativen Maßnahmen“, die aber nicht näher bezeichnet werden.
Trotzdem lassen sich Bremer und Touristen den sonnigen Samstag nicht verderben. In den Cafés genießen sie ihren Cappuccino in der bereits wärmenden Sonne. An der Weserpromenade Schlachte stellen die Biergartenbesitzer Tische und Bänke ins Freie.
Auf die Fähigkeiten der Polizei setzt ein Mann aus Bonn, der mit seiner Frau zu Besuch in der Stadt ist. Vor der Kulisse des Doms und des Welterbes Rathaus und Roland läuft er am Samstag an schwer bewaffneten Beamten vorbei. „Ich glaube, dass sie uns schützen können.“ Allerdings sei er besorgt über die Steigerung der Entwicklung in jüngster Zeit. Mitte Februar war der Karnevalsumzug in Braunschweig nach einer Terrorwarnung abgesagt worden, im Januar in Dresden für einen Montag eine Pegida-Kundgebung und Gegenaktionen.
Die Erinnerung an den ungewöhnlichen Samstag ist einen Tag später bei den Menschen in der Bremer Innenstadt weiter hellwach. „Ich war gestern schon erschrocken, als ich die Polizisten mit den Maschinenpistolen gesehen habe“, sagt Dimitri Wasylyk, der mit seiner Partnerin durch die Fußgängerzone schlendert. Bedroht gefühlt habe er sich aber zu keinem Zeitpunkt. „Die würden die Stadt sperren, wenn es gefährlich wäre“, ist sich der junge Mann sicher.
Vorsichtige Entwarnung
Am frühen Sonntagnachmittag kommt zwar die vorsichtige Entwarnung von den Behörden. Die Ermittlungen laufen laut Polizeipräsident Lutz Müller aber weiterhin „auf hohem Niveau“. Innensenator Mäurer sagt ganz klar, dass in Deutschland Anschläge immer im Rahmen des Möglichen seien. „Die Bedrohung ist da.“
Die radikale Islamistenszene in Bremen
Bremen gilt als eine Hochburg radikaler Islamisten. Nach Angaben von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) wurden zuletzt rund 360 Salafisten vom Verfassungsschutz beobachtet. Mindestens 19 Islamisten aus Bremen sind nach Syrien gereist, um dort zu kämpfen, so die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden. Vier sollen bereits wieder zurückgekehrt sein, zwei starben offenbar bei Kämpfen.
Die beobachteten Salafisten verkehrten bislang hauptsächlich in zwei Vereinen. Im Visier der Behörden stand lange Zeit vor allem der „Kultur- und Familienverein“, der in Bremen-Gröpelingen eine Moschee betrieb. Fast alle der nach Syrien ausgereisten Islamisten sollen dort verkehrt haben. Der Verein stand im Verdacht, junge Menschen anzuwerben. Im Dezember 2014 wurde er vom Innensenator verboten.
In der Moschee wurde nach Informationen der Sicherheitsbehörden eine äußerst radikale Form des Salafismus gelehrt. Im Jahr 2011 verurteilte das Oberlandesgericht in München zwei KuF-Gründungsmitglieder wegen Werbens für das Terrornetzwerk El Kaida sowie ihr nahestehende terroristische Organisationen. Einer der beiden Angeklagten wurde zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er nach Überzeugung des Gerichts in ein El-Kaida-Ausbildungslager nach Afghanistan reisen wollte.
Im April 2014 beschlagnahmte die Polizei in Bremen die Reisepässe von sieben mutmaßlichen Salafisten und erteilte ihnen Ausreiseverbote. Bei Hausdurchsuchungen wurden Gas- und Schreckschusspistolen, ein Elektroschocker sowie Handys und Computer sichergestellt. Text: dpa