Was für eine Woche für Angela Merkel. Viel hat die Bundeskanzlerin in ihrer mittlerweile elfjährigen Amtszeit an der Spitze der Bundesregierung schon erlebt, aber so eine Woche, in der die Tiefen und Höhen so eng beieinander liegen und sich Entscheidungen derart verdichten, hat es schon lange nicht mehr gegeben.
Erst werden ihr die Grenzen ihrer Macht, dann aber auch die Bedeutung ihrer Kanzlerschaft in aller Offenheit aufgezeigt. Und alles strebt dem Höhepunkt am Sonntag entgegen, wenn sie um 19 Uhr im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses bekannt gibt, ob sie bei der Bundestagswahl im kommenden September ein viertes Mal als Spitzenkandidatin der Union antritt.
Längst stehen die Signale auf Grün, etliche Landesverbände signalisieren Zustimmung, das erlösende „Ja“ der Kanzlerin wird alle Spekulationen beenden. Nur Konrad Adenauer und Helmut Kohl kandidierten ebenfalls viermal.
Dabei fing die Woche denkbar schlecht für Merkel an. Am Montag musste die CDU-Chefin ihren Führungsgremien beibringen, dass kein Christdemokrat Bundespräsident wird, sondern der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier. Finanzminister Wolfgang Schäuble sprach offen aus, was viele in der Partei dachten – das sei eine „Niederlage“.
Doch bei der offiziellen Präsentation Steinmeiers am Mittwoch ließ sich die Kanzlerin nichts anmerken, sondern lobte den gemeinsamen Kandidaten der Großen Koalition in den höchsten Tönen. Dabei hatte sie, wie nun bekannt wurde, bis zuletzt einen eigenen Vorschlag für ein schwarz-grünes Signal: Die einstige DDR-Bürgerrechtlerin Marianne Birthler, die von 2000 bis 2011 an der Spitze der Stasi-Unterlagenbehörde stand, sollte Joachim Gauck, ihrem Vorgänger in diesem Amt, auch im Amte des Bundespräsidenten nachfolgen. Sogar die CSU wäre bereit gewesen, die Grüne, die in den 90er Jahren an der Spitze der Partei stand, mitzutragen, da sie im Gegensatz zum baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann politisch nicht mehr aktiv ist. Doch im letzten Augenblick sagte Birthler ab. Sie habe Zweifel, ob sie dem Amt gewachsen sei.
Beim Spitzentreffen mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer stand Merkel somit mit leeren Händen da, Gabriel hatte leichtes Spiel, Steinmeier durchzusetzen. Aber schon am Donnerstag war dies wieder vergessen. Als Gastgeberin der „Obama-Festspiele“ stand Angela Merkel im Mittelpunkt des Interesses.
Am Freitag war sie gar Hausherrin eines hochkarätig besetzten USA-Europa-Gipfels und unterstrich damit ihren Führungsanspruch in der EU. Der im Januar aus dem Amt scheidende US-Präsident lobte seine „wunderbare Freundin“ geradezu überschwänglich, setzte sie demonstrativ als Gegenentwurf zu seinem Nachfolger Donald Trump in Szene und rief sie geradezu zu seiner Nachfolgerin als Anführerin der freien westlichen Welt aus. Merkel stehe für „große Glaubwürdigkeit“ und sei bereit, „für ihre Werte zu kämpfen“, sie suche stets nach „humanitären Lösungen“ und sei ein Eckpfeiler der internationalen Politik. Ausdrücklich rühmte er dabei ihre Erfahrung, ihre Standhaftigkeit und Verlässlichkeit.
Merkel nahm das Lob Obamas, das weit über das hinausging, was bei Staatsbesuchen üblich ist und diplomatischen Gepflogenheiten entspricht, scheinbar regungslos zur Kenntnis. Zu ihrer eigenen Zukunft wollte sie sich im Beisein des US-Präsidenten nicht äußern, auch wenn dieser sie geradezu ermutigte, wieder als Kanzlerin anzutreten. Und doch dürfte die Ermutigung des mächtigsten Mannes der Welt, die einer Staffelübergabe gleichkam, Merkel bestärkt haben, nun die Spekulationen um ihre Kandidatur zu beenden. Mehr Lob aus berufenem Munde am Ende einer besonderen Woche geht nicht mehr.