Im internationalen Luftverkehr sind die medizinischen und psychologischen Anforderungen an Piloten bis ins Detail verbindlich geregelt. Auf europäischer Ebene setzt EU-Verordnung 1178/2011 diese Vorgaben um und definiert, welche gesundheitlichen Einschränkungen bei den regelmäßigen Tauglichkeitsprüfungen akzeptabel sind.
Was sind die Hauptkriterien bei der psychologischen Vorauswahl?
Auf der Grundlage von Anforderungsanalysen wird in Leistungstests geprüft, was ein Pilot können muss. Bewerber müssen sehr gute Kenntnisse in Englisch, Mathematik, Physik haben. Getestet werden auch pilotenspezifische Anforderungen. In Interviews und Gruppendiskussionen werden zudem Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit untersucht. Auch die Persönlichkeit steht im Fokus und Fragen wie: Ist der Bewerber reflexionsfähig, arrogant, oberflächlich? Kann er mit Kritik konstruktiv umgehen? Ist eine Werteorientierung vorhanden? Besitzt er Disziplin? Ist er emotional belastbar? Wie bewältigt er Belastungen?
Mehr als 30 Prozent schaffen es nicht auf Anhieb. Zählt man diejenigen hinzu, die nach einem zweiten Durchlauf die Pilotenselektion bestehen, dann sind es maximal 45 Prozent, die sich anschließend an einer Flugschule, die eine psychologische Vorauswahl verlangt, bewerben können.
Die Ausbildung umfasst mindestens 250 Flugstunden und ist sehr anspruchsvoll. Dort schaffen es fast 100 Prozent der Bewerber, die zuvor an einer psychologischen Vorauswahl teilgenommen haben.
Prinzipiell dürfen Bewerber für ein Tauglichkeitszeugnis für Verkehrspiloten keine Erkrankungen, Behinderungen, Operationsfolgen oder Verletzungen aufweisen, welche die sichere Ausübung ihres Berufs gefährden. Ebenso dürfen sie auch keine Medikamente einnehmen, deren Wirkungen oder Nebenwirkungen sie eventuell daran hindern könnten.
Die Liste mit Diagnosen, die eine Verwendung als Pilot entweder kategorisch ausschließen oder nur nach einer eingehenden näheren Abklärung und gegebenenfalls mit Einschränkungen gestatten, ist lang. Sie umfasst unter anderem schwere Erkrankungen des Herz-Kreislauf- und des Atemwegssystems sowie Stoffwechselstörungen, Augen- und Ohrenleiden sowie schwere neurologische Auffälligkeiten. Absolut unvereinbar mit einer Tätigkeit im Cockpit sind etwa koronare Herzkrankheiten, „signifikante“ Herzklappenveränderungen, krankhaft zu hoher oder zu niedriger Blutdruck, insulinpflichtiger Diabetes, Epilepsie oder eine Schwäche der Sehschärfe über bestimmte Grenzwerte hinaus.
Prinzipiell ausgeschlossen sind Menschen mit wahnhaften Störungen oder Schizophrenie. Ebenfalls als untauglich zu beurteilen sind zunächst Bewerber mit Störungen, die auf Alkohol- oder Drogensucht zurückzuführen sind, sowie solche, die Selbstverletzungsversuche unternommen haben. Bei ihnen ist eine spätere Freigabe nicht ausgeschlossen, sofern Behandlungen erfolgreich beendet wurden und mindestens zufriedenstellende psychiatrische Begutachtungen vorliegen. Dann kann etwa bei Menschen nach einem Selbstmordversuch „erwogen“ werden, sie als tauglich einzustufen.
Laut Professor Peter Braun sollten in der Ausbildung Neigungen zu Fanatismus mehr berücksichtigt werden. Man müsste erkennen, ob jemand fanatisch, engstirnig ist; wenn er etwa sagt, er müsse Pilot werden, anderes komme für ihn nicht infrage, ansonsten mache er dieses oder jenes. Solche Menschen seien erkennbar. Dazu müsse man mit den entsprechenden Instrumenten rangehen. Aber noch sei dies in der Ausbildung nicht Standard.
Das Restrisiko wird durch die Überwachungs- und Sicherheitskultur weitgehend aufgefangen, eine hundertprozentige Garantie kann man nicht herstellen. Ein Unfall wie jetzt in Frankreich stellt die höchste Eskalation dar. Es gibt auch sicherheitskritische Ereignisse, die nicht zum Unfall führen, aber Risikosituationen darstellen. Laut einer Studie mit 4000 Lufthansa-Piloten wurden in Fragebogen 1300 dieser Ereignisse erfasst. Diese durch eine Ergänzung der Vorauswahl zu reduzieren, wäre schon ein deutlicher Gewinn, sagt Peter Braun. Dies würde bereits in entscheidungsbefugten Gremien diskutiert.
Versicherung
Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen hat ein Versicherungskonsortium um die deutsche Allianz 300 Millionen Dollar (279 Millionen Euro) an Kosten für die Lufthansa-Gruppe veranschlagt. „Ich kann bestätigen, dass 300 Millionen Dollar zurückgestellt worden sind“, sagte eine Sprecherin der Germanwings-Muttergesellschaft Lufthansa am Dienstag in Frankfurt am Main. Sie bestätigte damit einen Bericht des „Handelsblatts“. Die Lufthansa kalkuliert laut der Zeitung im Todesfall pro Passagier mit einer Entschädigung von einer Million Dollar. Hinzu kommen die Kosten für die Maschine, die sich im Fall des Airbus-Absturzes demnach auf 6,5 Millionen Dollar belaufen sollen. Grund für die höhere Schadenszurückstellung könnten dem „Handelsblatt“ zufolge „langwierige und teure Entschädigungsprozesse“ sein – auch weil zwei der Menschen an Bord US-Staatsbürger waren. Auch im Fall eines absichtlich herbeigeführten Absturzes gewährleisten Versicherungen Ausgleichszahlungen an die Hinterbliebenen der Todesopfer und kommen für den materiellen Schaden der Fluggesellschaft auf, wie die AFP am Freitag aus Branchenkreisen erfuhr. Bei dem Flugzeugunglück in den französischen Alpen waren vor einer Woche 150 Menschen ums Leben gekommen. Der 27-jährige Co-Pilot des Germanwings-Airbus, steht im Verdacht, die Maschine auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf absichtlich zum Absturz gebracht zu haben. Text: afp