Der Chef der nationalistischen Sinn-Féin-Partei, Gerry Adams, wurde nach tagelanger Befragung durch die Polizei in Nordirland wieder freigelassen. Trotzdem prüft die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe im Zusammenhang mit einem Mord der IRA aus dem Jahr 1972 weiter. Adams hatte stets seine Unschuld beteuert, doch seine Vergangenheit lässt ihn nicht los. An ihm scheiden sich sowohl die nordirischen als auch die britischen Geister. Und haben es immer getan.
Als Mann, der „den Frieden verlor“, wurde Gerry Adams Mitte der 90er Jahre noch von britischen Zeitungen bezeichnet. Damals schien der Chef der Sinn-Féin-Partei, des politischen Arms der katholischen Untergrundarmee IRA, mit seinen Vermittlungsversuchen gescheitert. Die Gewalt ging in eine neue Runde, bei einem Bombenanschlag in London starben zwei Menschen, und auf Adams, der stets betonte, nur eine gewaltfreie Lösung diene den nordirischen Katholiken, prasselte harsche Kritik ein. „Blutiger Heuchler“ und „Pate der Gewalt“ waren nur einige der Schmähungen.
Er stand stets in dem Ruf, zwischen den Seiten zu stehen. Immer wieder wurde er verdächtigt, IRA-Kämpfer zu sein, weshalb er in den 70er Jahren einige Jahre im Gefängnis saß. Politiker oder Terrorist? Nie waren sich Londons Politiker ganz sicher, ob der brillante Redner als Friedensmakler geeignet war. Immerhin konnte auch der als Vermittler eingesetzte Adams den Terrorismus lange nicht aufhalten. Er genoss zwar großen Einfluss im Schattenreich des Untergrundkommandos, das drei Jahrzehnte lang gewaltsam für den Anschluss Nordirlands an die mehrheitlich katholische Republik Irland kämpfte. Doch nicht alle waren einverstanden mit seinem Kurs, das Gefecht ohne Waffen, aber mit Worten zu führen.
Heute, fast 20 Jahre nach den Vorwürfen gilt der 65-Jährige als Symbolfigur im Friedensprozess in Nordirland. Er hatte 1993 mit einer Friedensinitiative neue Bewegung in den Konflikt gebracht und war mit verantwortlich für das Karfreitagsabkommen von 1998, mit dem die Gewalt beendet wurde. Ganz abschütteln konnte er die alten Geister aber nicht.
Am Sonntagabend wurde er nach einer viertägigen Befragung zu einem vor über 40 Jahren verübten Mord aus der Haft entlassen. Er kam ohne Anklage frei, doch die Staatsanwaltschaft prüft weiter. Immerhin soll der Politiker 1972 zum Führungszirkel der IRA gehört haben, die sich später zu der Entführung und der Ermordung der zehnfachen Mutter Jean McConville bekannte. Adams habe sich zwar nie von der IRA losgesagt und werde das nie tun, bestreitet aber jegliche Beteiligung an der Tat, die als eine der berüchtigtsten in die Geschichte des Bürgerkriegs zwischen pro-irischen und pro-britischen Kräften einging.
Derweil bekräftigte er mit seiner tiefen Stimme den Friedenskurs seiner Partei. Diesen wolle der Vater eines Sohnes unbeirrt fortsetzen. „Frieden muss mit Entschlossenheit aufgebaut werden“, sagte er. Nicht alle wollen dem Mann mit der randlosen Brille und dem grauen Vollbart glauben, zu leichtfertig ist er früher ihrer Ansicht nach im Spannungsbogen zwischen Politik und Terror gependelt.
Viele Angehörige von Opfern der IRA vermuten Adams hinter Morden und Anschlägen. Dabei hat der Spross einer alten katholischen Arbeiterfamilie von IRA-Kämpfern stets betont, er sei „völlig unschuldig“. Der Sinn-Féin-Parteichef, der im irischen Parlament in Dublin sitzt, sprach von einer „böswilligen Kampagne“ gegen ihn, die von „alten Garden“ in der Polizei und von Gegnern des Friedensprozesses in seiner eigenen republikanischen Bewegung geschürt würde.