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„Am meisten leiden die Kinder“
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 05.02.2014 19:40 Uhr

Die Rebellen in Syrien bilden zwölfjährige Buben aus, um sie dann als Kindersoldaten an die Front zu schicken. Andere Kinder würden als Schmuggler, als Melder oder als Köche missbraucht. Wieder andere Kinder sollten Waffen reinigen, Munition transportieren oder Leichen begraben. Auch Mädchen seien eingesetzt worden, etwa um Medikamente an die Front zu bringen – „eine Aufgabe mit hohem Risiko“, so die Beurteilung.

Diese schweren Verbrechen an Kindern gehen aus einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen hervor, der belegt, dass beide Parteien im syrischen Bürgerkrieg Kinder missbrauchen. Unter den geschätzt etwas mehr als 100 000 Todesopfern des Kriegs sollen demnach mindestens 10 000 Minderjährige sein.

Der Einsatz von Kindersoldaten sei zwar nur aufseiten der Opposition bewiesen, aber die Regierungstruppen seien mit einem schonungslos geführten Krieg verantwortlich für den Tod vieler Kinder, heißt es in dem 18 Seiten langen Bericht. Zudem würden in Gefängnissen des Regimes auch Kinder gefoltert. Dabei seien Schulen und Krankenhäuser in Kerker umgewandelt worden, die „nicht einmal den Mindeststandards“ entsprächen.

Auf der anderen Seite hätten Regierungstruppen Zivilisten – unter ihnen gerade auch Kinder – als Geiseln genommen und danach Rebellen zur Kapitulation aufgefordert. Andernfalls hätten Soldaten mit dem Tod der Kinder gedroht. Frauen und Kinder seien als menschliche Schutzschilde während der Offensiven der Regierungsarmee eingesetzt worden. Der „unverhältnismäßige und rücksichtlose“ Einsatz schwerer Waffen hat dem Bericht zufolge zum Tod vieler Kinder geführt.

„Regierungstruppen sind auch verantwortlich für die Festnahme, eigenmächtige Verhaftung, Misshandlung und Folter von Kindern“, heißt es in dem UN-Bericht. Es gebe auch Fälle von sexueller Gewalt gegenüber Kindern durch Regierungssoldaten. Kinder seien auch von Vertretern des Regimes mit Kabeln, Peitschen oder Metallstäben geschlagen worden.

„Syrien ist eine reine Katastrophe – und ich kann im Moment überhaupt keine Lösung für das Land sehen“, sagt Bärbel Dieckmann, die Präsidentin der Welthungerhilfe im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Situation sei unüberschaubar, man erkenne auch die Fronten nicht mehr. „Ich glaube nicht“, sagt Dieckmann, „dass der syrische Präsident Assad so schnell aufgibt.“ Und wenn doch, „weiß ich nicht, wer die Macht übernehmen sollte“.

Den Bürgerkrieg in Syrien stufen die Vereinten Nationen inzwischen als die schlimmste humanitäre Krise seit dem Völkermord in Ruanda ein. Aber auch im Südsudan, im Kongo, in Zentralafrika, in Pakistan und Afghanistan „wissen wir nicht, was auf uns zurollt“, sagt Bärbel Dieckmann. Sie hat in den vergangenen Jahren 16 Länder bereist – und viele Fortschritte gesehen, die mithilfe der internationalen Organisationen gemacht wurden.

Sie hat aber auch Rückschläge in der humanitären Arbeit erlebt – vor allem in fragilen Staaten. In Ländern also, in denen es über die Jahre nicht gelungen ist, eine stabile, zuverlässige Regierung aufzubauen. Wie im Südsudan zum Beispiel, in Afghanistan oder in Somalia: Bärbel Dieckmann war in Dadaab im Nordosten Kenias, einem der größten Flüchtlingslager der Welt. 450 000 Menschen sind vor dem Bürgerkrieg in Somalia über die Grenze geflohen. „Es gab dort keine Frau, die nicht auf der Flucht vergewaltigt wurde oder unterwegs eines ihrer Kinder beerdigen musste“, erzählt Dieckmann.

Doch diese Flüchtlinge wollen nur eines: zurück in ihre Heimat. „Die wollen nicht nach Deutschland, denn sie lieben ihr Land“, sagt sie. „Darum müssen wir alles tun, damit die Menschen da bleiben können, wo sie sind“, betont Dieckmann. Denn die Flüchtlingsproblematik lasse sich nicht dadurch lösen, „dass wir alle aufnehmen“. Sondern nur, wenn man die Lebensbedingungen der Flüchtlinge in den Herkunftsländern verändert.

Auch die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien wollen zurück in ihre Heimat. Die meisten von ihnen – inzwischen fast zwei Millionen – haben ohnehin die Nachbarländer Türkei, Jordanien, Libanon und Irak aufgenommen. „Und wir diskutieren darüber, ob es bei uns 5000 oder 10 000 sein können“, kritisiert Bärbel Dieckmann. „Wenn wir es nicht schaffen, dass die Konflikte weniger werden“, sagt Dieckmann, „werden sich die Flüchtlinge auf den Weg nach Europa machen.“ Und: „Wer aus einem Lager in Somalia kommt, den ängstigt auch das Mittelmeer nicht.“ Mit Informationen von DPA

Welthungerhilfe

Die Hilfsorganisation kümmert sich um Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Die Welthungerhilfe wurde 1962 gegründet und setzt bei ihrer Arbeit vor allem auf Hilfe zur Selbsthilfe. Neben der unmittelbaren Katastrophenhilfe unterstützt die Welthungerhilfe Menschen in Entwicklungsländern hauptsächlich in den Bereichen ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung. Darüber hinaus geht es der Welthungerhilfe um soziale Integration, Bildung und den Aufbau der Zivilgesellschaft. Bärbel Dieckmann, 64, ist seit 2008 Präsidentin der Welthungerhilfe. Die Tochter eines Diplomaten arbeitete als Lehrerin in Köln und Bonn. 1994 wechselte sie in die Politik. Bis 2009 war sie SPD-Oberbürgermeisterin von Bonn, von 2001 bis 2009 auch Mitglied des SPD-Bundesvorstandes und Parteipräsidiums. Dieckmann ist Mutter von vier Kindern – zwei Zwillingspaaren. Ihr Ehemann Jochen Dieckmann war in Nordrhein-Westfalen Justiz- und Finanzminister sowie SPD-Landesvorsitzender. Foto: dpa/Text: AZ/mar

„Syrien ist eine reine Katastrophe.“
Bärbel Dieckmann
 
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