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BERLIN
Alter Hase unter Neulingen
GERMANY-POLITICS-GOVERNMENT       -  Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz bei einer Tagung in Schloss Meseberg im April.
Foto: Axel Schmidt, dpa | Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz bei einer Tagung in Schloss Meseberg im April.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 10.05.2018 02:39 Uhr

Wieviel Wolfgang Schäuble steckt noch in Olaf Scholz? Oder wieviel Olaf Scholz hat der neue Finanzminister bereits in seinem ersten Etatentwurf untergebracht? Sechs Wochen nach seiner Amtsübernahme legt der frühere Hamburger Bürgermeister den ersten Haushalt der neuen Bundesregierung vor, den das Kabinett in seiner Sitzung am heutigen Mittwoch verabschiedet. Und nicht nur den Koalitionären, sondern auch der Opposition kommt das Zahlenwerk reichlich vertraut vor, auch wenn Scholz dank der üppig sprudelnden Steuereinnahmen tiefer in die Kasse greifen kann und Gesamtausgaben von 341 Milliarden Euro vorsieht, rund 3,5 Milliarden Euro mehr als Schäuble noch für 2018 vorgesehen hat.

Ansonsten aber bleibt der Neue zuhause wie auf der internationalen Bühne auf dem Kurs, den sein Vorgänger bereits eingeschlagen und unerbittlich verteidigt hat. Bei seinen ersten Auftritten im Kreis der EU-Finanzminister und bei der Frühjahrstagung des IWF hat er klargemacht, dass sich am deutschen Kurs nichts ändern werde. Auch an der schwarzen Null, dem Markenzeichen Schäubles, mit dem er in die (Haushalts-)Geschichte der Bundesrepublik eingehen wird, rüttelt auch der Sozialdemokrat Scholz nicht. Neue Schulden, das hat er bereits in den ersten Tagen mehrfach betont, wird es mit ihm nicht geben. So hat er denn auch in den zähen, teilweise sogar harten Verhandlungsrunden mit seinen Kabinettskollegen so manche Wünsche weg- oder herunterverhandelt. Die Botschaft ist klar: Weder sitzt das Geld bei ihm locker noch gibt es einen Bonus für Parteifreunde.

Andere Amtsführung

Für den harten Kurs des obersten Kassenwarts der Nation steht auch eine Personalie, die für die Kontinuität im Ressort steht. Zur Überraschung aller in Berlin holte Olaf Scholz unmittelbar nach seiner Vereidigung Werner Gatzer von der Bahn zurück und berief ihn zum beamteten Staatssekretär, zuständig für die Etatverhandlungen. Gatzer, der schon Peer Steinbrück (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) diente, gilt in Berlin fast schon als Institution – ein alter Hase im Finanzressort, mit allen Tricks der Verhandlungsführung vertraut, bestens vernetzt und mit jahrelanger Erfahrung, der Mann, der für Schäuble die schwarze Null durchdrückte. An ihm haben sich schon die gestandensten Minister die Zähne ausgebissen. Und Scholz selber? Im lauten Berlin, wo öffentliche Aufmerksamkeit als Währung gilt und die Sucht nach Schlagzeilen groß ist, führt er sein Amt anders als andere unaufgeregt, zurückhaltend und leise. „Kühl, nüchtern, präzise“, heißt es in Koalitions- wie Oppositionskreisen über ihn, freundlich im Ton, aber hart in der Sache, mit der Materie bestens vertraut. Der SPD-Haushaltsexperte Andreas Schwarz aus Bamberg würdigt ihn gegenüber unserer Zeitung als „sehr kompetenten und schnörkellosen Finanzminister, der zuhört und klare Vorstellungen hat“. Sein „hanseatisch, zurückhaltendes Gemüt“ werde auf dem internationalen Parkett mehr geschätzt „als die polternde badische Art von Schäuble“, so Schwarz. Und auch der Karlsruher CDU-Haushälter Axel E. Fischer äußert sich wohlwollend: „Er ist für einen Sozialdemokraten sehr klar, strukturiert und erfreulich kompetent sowie überaus freundlich“.

Opposition wird deutlich

Differenzierter fällt das Urteil der Opposition aus. „Olaf Scholz agiert als Finanzminister sehr überlegt, aber er scheint dabei auch risikoscheu zu sein“, sagt die Haushaltsexpertin und stellvertretende Fraktionschefin der Grünen, Anja Hajduk, unserer Zeitung. Ob und wie er aus dem Schatten Schäubles treten wolle? „Das kann man noch nicht wirklich erkennen – und vielleicht will er das auch gar nicht.“ Hinter vorgehaltener Hand werden andere Oppositionspolitiker deutlicher. Scholz wisse, dass er klug sei – und lasse das auch die anderen spüren. Aber auch das war bei Schäuble nicht anders.

Guter Draht zu Seehofer

Im Kabinett der zahlreichen Neulinge ist der Vizekanzler als alter Hase. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel versteht er sich bestens, die beiden kennen und schätzen sich, schließlich saß Scholz schon in der ersten Großen Koalition unter Merkel als Arbeits- und Sozialminister von 2007 bis 2009 am Kabinettstisch. Aber auch zum neuen Innenminister, CSU-Chef Horst Seehofer, gibt es einen engen Draht. Die beiden haben schließlich eine gemeinsame Vergangenheit im Bundesrat und der Ministerpräsidentenkonferenz. Gemeinsam handelten der Hamburger Bürgermeister und der bayerische Ministerpräsident in der letzten Legislaturperiode die komplizierte Neuordnung des Länderfinanzausgleichs aus, wobei ihnen das doppelte Kunststück gelang, erst die Interessen aller 16 Länder unter einen Hut zu bringen und sich dann auch noch gegen Wolfgang Schäuble durchzusetzen. Das verbindet.

 
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