Als im Zuge des arabischen Frühlings vor drei Jahren in Algerien Proteste ausbrachen, wandte sich Präsident Abdelaziz Bouteflika an die jungen Demonstranten. „Meine Generation hat ihr Ende erreicht. Das Land ist nun in euren Händen, den jungen Händen“, teilte der Staatschef mit. Doch von dieser bemerkenswerten Aussage hat der mittlerweile 77-Jährige offenbar Abstand genommen.
Bei der Präsidentschaftswahl am Donnerstag bewirbt er sich trotz massiver gesundheitlicher Probleme um eine vierte Amtszeit – und gilt als Favorit. Alles andere als ein klarer Sieg des seit 15 Jahren regierenden Staatschefs wäre eine faustdicke Überraschung. Dass Bouteflika seit einem Schlaganfall vor einem Jahr im Rollstuhl sitzt, kaum noch sprechen kann und daher dem Wahlkampf fernblieb, stört seine Unterstützer nicht.
Garant für Stabilität
Die Regierungspartei Nationale Befreiungsfront (FLN) steht ebenso hinter ihm wie die Armeespitze, der in Algerien die Rolle des Königsmachers zufällt. Die politischen Umbrüche in anderen Teilen Nordafrikas und des Nahen Ostens haben auf Algerien bislang kaum übergegriffen. Besonders junge Algerier monieren, dass in ihrem Land die Zeit stehen geblieben sei. Manche vergleichen die Situation mit derjenigen in Ägypten unter dem früheren Alleinherrscher Hosni Mubarak. Das Regime inszeniert sich als Garant für Stabilität und Kontinuität. Bouteflika selbst wird von den staatlichen Medien als alternativlos dargestellt. Ohne seine starke und erfahrene Hand drohe dem Land ein ähnliches Chaos wie in den Revolutionsländern des arabischen Frühlings.
Bei vielen Algeriern, insbesondere der älteren Generation, kommt diese Botschaft gut an. Die Wunden des blutigen Bürgerkriegs und des islamistischen Terrors in den 1990er Jahren mit über 100 000 Toten sind noch längst nicht überall verheilt. Der Appetit auf politische Experimente ist vielerorts gering. Doch unter der Fassade der scheinbaren Stabilität rumort es auch in Algerien immer. Eine von mittelständischen Jugendlichen angeführte Protestbewegung namens Barakat! („Genug!“) hat zuletzt in mehreren Städten Demonstrationen abgehalten. Die Gruppierung fordert Präsident Bouteflika auf, Platz für ein neues Gesicht an der Spitze des Landes zu machen.
Außerdem macht sie sich für einen Kurswechsel hin zu einer echten Demokratie sowie eine neue Wirtschaftspolitik stark. „Wir werden von einem archaischen Regime regiert, für das Wahlen nur eine Maskerade sind“, sagte ein Mitbegründer der Bewegung gegenüber Medien.
Reformen hat freilich auch Bouteflika in Aussicht gestellt. Doch in seinen bisherigen drei Amtszeiten war davon wenig zu sehen. Zwar konnte seine Regierung dank hoher Erdöl- und Gasexporte die Staatsverschuldung zuletzt auf beinahe null drücken. Doch abgesehen vom Rohstoffhandel verfügt Algerien über keinen nennenswerten Wirtschaftszweig. Die Arbeitslosigkeit ist offiziellen Zahlen zufolge auf 25 Prozent gestiegen, die Korruption allgegenwärtig. Für die Generation unter 30, die 70 Prozent der Bevölkerung ausmacht, bieten sich kaum Zukunftsperspektiven.
Auch das oft als „le pouvoir“ („Die Kraft“) bezeichnete Geflecht aus Armee, Geheimdiensten und Wirtschaftsgrößen scheint Bouteflika nicht mehr so unangefochten gewogen wie noch vor wenigen Jahren. In einigen staatlichen Medien wurde der Präsident zuletzt ungewohnt scharf angegriffen. Auch einige ehemals ranghohe Militärs gingen auf vorsichtige Distanz zum Staatschef.
Aufruf zum Boykott
Die Opposition hat daraus allerdings kaum Nutzen ziehen können. Der im Rollstuhl sitzende Bouteflika mag das Bild eines gelähmten Herrschers abgeben. Doch das gilt auch für seine Gegner. Ein echter Herausforderer Bouteflikas ist nicht in Sicht. Von den fünf Gegenkandidaten hat der ehemalige Justiz- und Premierminister Ali Benflis noch die besten Karten. Er tritt als Unabhängiger an und versucht vor allem junge Wähler für sich zu gewinnen. Die Unterstützung führender islamistischer und säkularer Parteien hat er allerdings nicht. Diese rufen geschlossen zu einem Boykott der Wahl auf, um damit die Legitimität des Regimes zu untergraben.
Dieser Schritt birgt nach Ansicht von Beobachtern die Gefahr, dass die jüngere Generation vollends das Vertrauen in die Politik verliere – und sich der Unmut irgendwann wie in Tunesien oder Ägypten in einem Volksaufstand entlädt.