Gebannt blickten die Griechen am Sonntag nach Brüssel auf das Treffen der Euro-Finanzminister und den Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurozone. Aber noch eine Frage bewegt die Menschen: Was wird aus ihrer Regierung?
Lange ist Ministerpräsident der Auseinandersetzung mit dem linksextremen Flügel seiner Partei Syriza aus dem Weg gegangen. Jetzt wird sie ihm aufgezwungen. Als das Parlament in der Nacht zum Samstag der Regierung mit großer Mehrheit ein Mandat zu Verhandlungen über ein neues Rettungsprogramm erteilte, stimmten zwei Syriza-Abgeordnete mit Nein. Acht Abgeordnete enthielten sich der Stimme, darunter Energieminister Panagiotis Lafazanis und Vize-Sozialminister Dimitris Stratoulis. Beide sind führende Figuren des linksextremen Syriza-Flügels. Weitere sieben Abgeordnete, unter ihnen Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis, blieben der Abstimmung fern. 15 Syriza-Parlamentarier erklärten in einem Brief, sie hätten zwar mit Ja gestimmt, würden aber bei einem künftigen Votum über neue Sparmaßnahmen die Regierung nicht mehr unterstützen. Damit hat Tsipras die absolute Mehrheit im Parlament verloren.
Der Premier kommt nun unter Druck. Dass er die beiden abtrünnigen Minister im Kabinett behält, ist schwer vorstellbar. Mehrere Szenarien sind jetzt denkbar. Tsipras könnte die beiden Kabinettsmitglieder ersetzen. Das wäre die „kleine Lösung“. Möglicherweise wechselt Tsipras bei dieser Gelegenheit auch weitere Ressortchefs aus, die sich als Fehlbesetzungen erwiesen haben. Genannt werden in diesem Zusammenhang mindestens sechs Namen.
Aber der Bruch bei Syriza geht tief und wird früher oder später zur Zersplitterung der Partei führen, die aus einem Dutzend widerstreitender politischen Strömungen und Sekten besteht. Auch die Tage der Koalition mit den ultrarechten Unabhängigen Griechen (Anel) könnten gezählt sein, vor allem, wenn das neue Sparprogramm Kürzungen der Rüstungsausgaben enthält.
Dagegen sträubt sich Verteidigungsminister und Anel-Chef Panos Kammenos. Selbst wenn die Koalition hält: Für die Umsetzung eines Reformprogramms hat sie keine eigene Mehrheit, sie müsste sich auf Teile der Opposition stützen. Schon wird in Athen über Neuwahlen spekuliert. Aber ein Wahlkampf würde das Land auf Wochen hinaus lähmen, die Wirtschaft weiter abstürzen lassen und die Umsetzung der Spar- und Reformschritte unmöglich machen.
Vor diesem Hintergrund könnte sich Tsipras für eine „große Lösung“ entscheiden: Die Bildung einer „Regierung der nationalen Einheit“ mit Beteiligung der pro-europäischen Parteien To Potami und Pasok, möglicherweise sogar mit der konservativen Nea Dimokratia. Eine solche Regierung könnte sich auf 251 der 300 Abgeordneten stützen, die der Regierung am Samstag das Verhandlungsmandat erteilten. Offen bleibt, ob Tsipras in einer solchen Regierung Ministerpräsident bleiben könnte. Wahrscheinlicher ist, dass sich die Koalitionspartner auf einen parteilosen Premier verständigen würden.