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BERLIN
AfD-Abgeordneter Glaser durchgefallen
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 04.11.2017 03:13 Uhr

Alexander Gauland streckt sich auf seinem Abgeordnetensitz am rechten unteren Rand des Plenarsaals und zeigt den Hauch eines Lächelns. Dabei hat der Fraktionschef der rechtspopulistischen AfD bei der Auftaktsitzung des Deutschen Bundestags gerade eine dreifache Klatsche eingesteckt.

Nach der Wahl von Wolfgang Schäuble (CDU) zum Bundestagspräsidenten steht am Nachmittag die Wahl von sechs Stellvertretern an. Jede Fraktion kann einen Kandidaten benennen, der nach den Gepflogenheiten des Bundestags auch von den anderen Lagern gewählt wird. Doch Albrecht Glaser, den die AfD ins Rennen schickt, bekommt auch nach drei Wahlgängen nicht die erforderliche Mehrheit. Denn die Aufstellung Glasers, des ehemaligen Frankfurter Stadtkämmerers, empfindet die Mehrzahl der Bundestagsabgeordneten als eine erste große Provokation der mit 92 Abgeordneten erstmals im Bundestag vertretenen Nationalkonservativen.

Grund für die Ablehnung des AfD-Kandidaten in allen Fraktionen außer der eigenen ist eine Äußerung vom vergangenen April. Glaser sagte wörtlich: „Der Islam ist eine Konstruktion, die selbst die Religionsfreiheit nicht kennt und die sie nicht respektiert. Und da wo sie das Sagen hat, jede Art von Religionsfreiheit im Keim erstickt. Und wer so mit einem Grundrecht umgeht, dem muss man das Grundrecht entziehen.“ Damit hat der AfD-Mann für zahlreiche Abgeordnete den Bogen weit überspannt. In den ersten beiden Wahlgänge bräuchte Glaser die Stimmen von 355 der 709 Abgeordneten. Er erreicht 115 im ersten, 123 im zweiten Durchgang. Das bedeutet zwar, dass Glaser auch etliche Stimmen aus anderen Lagern bekommen hat, im zweiten Wahlversuch immerhin 31. Doch von der erforderlichen Mehrheit ist das 75-jährige frühere CDU-Mitglied weit entfernt. Im dritten Wahlgang würde es dann reichen, wenn er mehr Ja- als Nein-Stimmen bekommen würde. Doch der Islam-Kritiker erhält nur noch 114 Stimmen. So bleibt der der AfD zustehende Sitz im Bundestagspräsidium vorerst unbesetzt. Der Ältestenrat muss nun entscheiden, ob es einen vierten Wahlgang gibt, die AfD kann aber auch einen anderen, möglicherweise eher mehrheitsfähigen Kandidaten präsentieren.

Zuvor waren für die CSU Ex-Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, Claudia Roth für die Grünen, Petra Pau von der Linkspartei, Thomas Oppermann von der SPD und Wolfgang Kubicki (FDP) zu Stellvertretern Schäubles gewählt worden. Kubicki könnte sich möglicherweise bald wieder von dem Posten zurückziehen, sollte er Minister werden.

Albrecht Glaser ist nicht der erste Kandidat für den Posten des Bundestags-Vizepräsidenten, der durchfällt. 2005 verweigerte der Bundestag dem Linken-Abgeordneten Lothar Bisky in vier Wahlgängen die Zustimmung – Hintergrund waren Vorwürfe, Bisky habe für die Stasi gearbeitet.

Für die AfD dürfte sich der Ärger über die Ablehnung Glasers in engen Grenzen halten, der Eklat gilt als gewollt. Glasers Äußerungen zum Islam, das weiß Fraktionschef Gauland, finden die Zustimmung vieler AfD-Wähler. Mit der Aufstellung Glasers und der Ablehnung im Parlament werden die islamkritischen Aussagen noch einmal vor großem Publikum diskutiert. Und die Ablehnung des Bewerbers passt ins Selbstbild der Rechtspopulisten, die sich von den „Systemparteien“ systematisch benachteiligt sehen.

 
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