Die ehemals in Ägypten regierende Muslimbruderschaft setzt nach ihrem Sturz auf Blockade. Die Islamisten lehnten am Dienstag sowohl den neu eingesetzten Chef der Übergangsregierung, Hazem al-Beblawi, als auch einen Fahrplan für Neuwahlen binnen sechs Monaten ab. Für die Muslimbrüder sind die Entmachtung von Präsident Mohammed Mursi und alle darauf folgenden Schritte illegitim. Zwar beginnt am Mittwoch in Ägypten der Fastenmonat Ramadan, aber ein Ende von Protesten und Gewalt ist damit nicht in Sicht.
Neuer Chef der Übergangsregierung wird der Ökonom und Sozialdemokrat Hazem al-Beblawi. Von Juli bis Dezember 2011 arbeitete er bereits als Finanzminister. Nach dem Sturz von Langzeitherrscher Husni Mubarak war er Mitbegründer der Ägyptischen Sozialdemokratischen Partei. Der Friedensnobelpreisträger und liberale Politiker Mohammed El Baradei wurde zugleich zum Vizepräsidenten an der Seite von Übergangspräsident Adli Mansur ernannt.
Das Militär hatte vergangene Woche den ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Landes entmachtet. Dem Islamisten Mursi folgte Übergangspräsident Adli Mansur. Der erließ am Montagabend ein Dekret mit einem Fahrplan für Parlaments- und Präsidentenwahlen sowie ein Verfassungsreferendum.
Die bisher regierende Muslimbruderschaft lehnte den Plan rundheraus ab. „Das bringt uns wieder an den Nullpunkt zurück“, sagte der hochrangige Funktionär Essam al-Arian. Die islamistische Organisation versammelte am Dienstag ihre Anhänger zu weiteren Großkundgebungen in Kairo und anderen ägyptischen Städten.
In seiner sogenannten Verfassungserklärung gab sich Mansur die Vollmacht, den Notstand für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten zu verhängen und bis zur Wahl des neuen Parlaments Gesetze zu erlassen. Auch die umstrittene, islamistisch geprägte Verfassung wird überarbeitet. Damit wird ein 15-köpfiger, hauptsächlich aus Richtern bestehender Ausschuss beauftragt. Der Ausschuss soll seine Vorschläge einer 50-köpfigen Versammlung vorlegen, die alle gesellschaftlichen Schichten repräsentieren soll. Über den neuen Text soll schließlich in einem Referendum abgestimmt werden. Danach soll ein neues Parlament gewählt werden, das dann rasch die Präsidentenwahl ansetzt.
Der Vorstoß Mansurs kam, nachdem die Lage in Ägypten am frühen Montagmorgen dramatisch eskaliert war. Bei Zusammenstößen zwischen Islamisten und dem Militär in Kairo wurden nach offiziellen Angaben mindestens 51 Menschen getötet und 435 weitere verletzt. Das Militär gab an, Bewaffnete hätten den Offiziersclub der Republikanischen Garde stürmen wollen. Die Muslimbruderschaft sprach hingegen von Angriffen auf friedliche Demonstranten beim Morgengebet.
An diesem Mittwoch beginnt in Ägypten – wie auch in vielen anderen islamischen Ländern – der Fastenmonat Ramadan. In dieser Zeit nehmen gläubige Muslime zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang keine Nahrung und Getränke zu sich. Muslime gehen vermehrt in die Moschee. Für die rivalisierenden Lager bieten sich damit auch mehr Möglichkeiten an, die Gläubigen für ihren Kurs zu mobilisieren.