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BERLIN/KAIRO
Ägyptens Präsident als ungeliebter Gast
Schwieriger Besuch: Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi ist in Berlin nicht uneingeschränkt willkommen.
Foto: Khaled Elfiqi, dpa | Schwieriger Besuch: Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi ist in Berlin nicht uneingeschränkt willkommen.
Martin Gehlen
 |  aktualisiert: 20.05.2015 19:41 Uhr

Der geplante Staatsbesuch des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi in Berlin steht auf der Kippe. Quer durch alle Parteien in Deutschland wächst die Kritik. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der zweithöchste Repräsentant des Staates, sagte am Mittwoch mit ungewöhnlich scharfen Worten ein Treffen mit dem Ex-Feldmarschall ab und begründete dies mit der Menschenrechtslage am Nil.

„Statt der seit langem erwarteten Terminierung von Parlamentswahlen erleben wir seit Monaten eine systematische Verfolgung oppositioneller Gruppen mit Massenverhaftungen, Verurteilungen zu langjährigen Haftstrafen und einer unfassbaren Anzahl von Todesurteilen, darunter der ehemalige Parlamentspräsident Katatni“, schrieb Lammert an den ägyptischen Botschafter in Berlin. Angesichts dieser Situation, die weder zur inneren Befriedung des Landes noch zu einer demokratischen Entwicklung beitrage, sehe er derzeit für ein Gespräch mit Präsident al-Sisi keine Grundlage.

Ein wichtiges Zeichen gesetzt

Zuvor hatten sich schon Vertreter von SPD und Grünen kritisch geäußert. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Niels Annen, forderte in der „FAZ“ von dem ägyptischen Staatschef, sich von dem „unangemessenen und völlig überzogenen Urteil“ gegen Mursi zu distanzieren, sonst könne sein Besuch „im Extremfall sogar infrage gestellt werden“.

Die Vorsitzende der Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe, Karin Maag, erklärte gegenüber dieser Redaktion, Lammert habe recht mit seinem Schritt und ein wichtiges Zeichen gesetzt. „Seit drei Jahren ist das Parlament aufgelöst und gibt es niemanden mehr in Ägypten, der die Regierung kontrolliert“, sagte die CDU-Politikerin. Auch das Agieren der Justiz sei sehr weit weg von dem, „was wir als rechtsstaatlich empfinden“. Andererseits gab Maag zu bedenken, dass es für die Bundesregierung wichtig sei, die Fäden nach Kairo nicht abreißen zu lassen und mit Ägypten im Gespräch zu bleiben. So ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel, die al-Sisi im März eingeladen hatte, erklären, sie halte an dem zweitägigen Treffen am 3. und 4. Juni fest. „Die Einladung der Kanzlerin an al-Sisi steht“, sagte ein Sprecher des Bundespresseamtes.

Massenhafte Todesurteile

Auslöser der spektakulären Intervention von Lammert, der den Besuch al-Sisis zu einem diplomatischen Desaster machen könnte, sind die neuerlichen massenhaften Todesurteile, die ein Gericht am letzten Samstag verhängte. Nach dem Willen der Justiz sollen zusammen mit den 104 übrigen Angeklagten auch der erste frei gewählte Präsident des Landes, Mohammed Mursi, sowie der Präsident des ersten frei gewählten Parlamentes in der Geschichte Ägyptens, Saad al-Katatni, am Galgen sterben. Mursi war im Juli 2013 durch die Armee unter dem Kommando des damaligen Verteidigungsministers al-Sisi gestürzt worden. Ein Jahr zuvor bereits hatte das Verfassungsgericht in einem dubiosen Urteil das erst Mitte Januar 2012 gewählte Parlament nach vier Sitzungsmonaten aufgelöst. Sollte das Todesurteil für Mursi und Katatni, deren Gerichtsakten jetzt zur Begutachtung beim Großmufti liegen, wie geplant am 2. Juni verkündet werden, wäre das einen Tag vor dem geplanten Staatsbesuch al-Sisis in Berlin.

Tief verärgert hat die Bundesregierung auch die Schließung der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie das rabiate Vorgehen gegen die Friedrich-Naumann-Stiftung. Der damalige Kairoer Bürochef der CDU-nahen Einrichtung wurde im Juni 2013 in Abwesenheit zu fünf Jahren Haft, eine Mitarbeiterin zu zwei Jahren Haft verurteilt.

 
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