Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg ist vom Datenskandal bei dem Online-Netzwerk betroffen. Vor dem im US-Kongress sagte Zuckerberg, dass auch seine Informationen an das umstrittene Datenanalyse-Unternehmen Cambridge Analytica gegangen seien. Jens Großklags hat in den USA erforscht, wie Facebook und die Apps auf der Plattform funktionieren. Großklags ist Professor an der Technischen Universität München. Sein Fachbereich ist dort Cyber Trust – dabei geht es um die Privatsphäre und Sicherheit im Internet. Von 2011 bis 2016 war er Professor an der Pennsylvania State University.
Frage: Herr Großklags, war Mark Zuckerbergs Aussage vor dem US-Kongress fast eine Nullnummer?
Großklags: Das würde ich jetzt auch wieder nicht sagen. Mark Zuckerberg hat sich ja schon in diversen Interviews entschuldigt und Besserung gelobt. Das Entscheidende ist allerdings, wie die angedeuteten Maßnahmen in ihrer Gesamtheit umgesetzt werden.
Hat Sie der Daten-Skandal überrascht?
Großklags: Nein. Auch der Weg, wie Unternehmen wie Cambridge Analytica über Facebook an Nutzerdaten gekommen sind, hat mich nicht überrascht.
Warum nicht?
Grossklags: Schon seit 2011 habe ich mit verschiedenen Kollegen Facebook-Apps, wie sie indirekt auch von Cambridge Analytica benutzt wurden, erforscht. Einerseits ist es schon so, dass nur eine Minderheit der Apps auf Facebook tatsächlich Daten anfragen, die nicht nur auf den Nutzer direkt bezogen sind, sondern auch auf die Freunde. Aber dadurch, dass der durchschnittliche Facebook-Nutzer zwischen 250 und 300 Freunde hat, ist der Multiplikator-Effekt ziemlich groß. So kommt auch die große Zahl von 87 Millionen Betroffenen zustande.
Zuckerberg behauptet, die Probleme seien entstanden, weil das Netzwerk zu idealistisch sei.
Großklags: Das Problem liegt vielleicht in der Wachstumsphilosophie des Unternehmens. Kürzlich ist ein etwas selbstkritisches Memo aus dem Hause Facebook durch die Medien gegangen. Darin steht sinngemäß: „Alles, was es erlaubt mehr Menschen zu verbinden und diese auch öfter miteinander zu verbinden, ist de facto gut.“ Und dieses Motto ist anscheinend der treibende Gedanke für viele Entscheidungen von Facebook und wird als eine Art von Idealismus gepriesen. Denn es wird eben anscheinend intern als wachstumsfördernd angesehen, wenn externen Entwicklern von Spiele- oder Quiz-Apps umfangreicher Zugang auf die Daten der Nutzer und deren Freunde gewährt wird.
Sie meinen damit Spiele wie Farmville?
Großklags: Ja, genau. Diese sogenannten Third-Party-Apps haben bisher teilweise viele Rechte gehabt. Sie greifen nicht nur auf die Daten der spielenden Nutzer zu, sondern haben eben auch das Recht, auf die Daten der Freunde zuzugreifen. So war es zum Beispiel bei Cambridge Analytica, denen solche Daten dann zugespielt wurden. Durch dieses Schneeball-System war es möglich, an die 310 000 Datensätze von deutschen Nutzern zu kommen, obwohl nur 65 Deutsche die fragliche App benutzt haben.
Das Problem liegt in den Rechten der Apps. Braucht eine Wetter-App wirklich Zugriff auf meine Freundesliste?
Grossklags: Natürlich nicht. Meiner Ansicht nach würden viele Apps auch gut funktionieren, wenn A) der Zugriff auf die Daten erheblich restriktiver gestaltet wäre oder B) die Funktionalität nur auf Facebook-Servern laufen würde, sodass die Daten auch wirklich bei Facebook verbleiben könnten.
Die Behebung des Daten-Missbrauchs soll angeblich Jahre dauern. Warum braucht Facebook dafür so lange?
Grossklags: Das kommt jetzt darauf an, wie man Problembehebung versteht. Natürlich kann man relativ abrupt ändern, wie Apps auf die Daten auf der Plattform zugreifen dürfen. Aber das Kind ist ja nun mal schon in den Brunnen gefallen. Cambridge Analytica ist ja nicht das einzige Unternehmen, welches auf diese Weise Daten erhalten hat, und zumindest ein weiteres Unternehmen wurde schon suspendiert. Andere Apps haben ja auch ähnliche Rechte gehabt. Wenn man an die 250 bis 300 Freunde jedes Nutzers denkt und sich die Popularität von vielen Apps anschaut, kann man sich ausrechnen, dass sicherlich die Daten von fast jedem Nutzer auf irgendeinen externen Server schlummern.
Wirklich ein erschreckender Gedanke.
Grossklags: Und es stellt einen vor die Frage: Was sind denn die Möglichkeiten von jedem einzelnen Nutzer, seine Daten zu schützen? In den Privatsphäre-Einstellungen von Facebook gab es bis vor Kurzem noch die Option den Datenverkehr mit Dritten zu regeln. Dort konnten Nutzer es unterbinden, dass deren Freunde ihre Daten an die App-Entwickler weitergeben. Allerdings war dieser Dialog schlecht gestaltet und vielen Nutzern unbekannt. Im Zuge der Überarbeitung des App-Systems wurde dieser Privatsphäre-Dialog kürzlich abgeschaltet. Außerdem waren die tatsächlichen Datentransfers sowieso nie einsehbar, was es für Nutzer schwer macht nachzuvollziehen, ob ihre Erwartungen verletzt wurden oder eben nicht.
Wenn ich selbst kein Profil auf Facebook habe, bin ich doch nicht betroffen?
Grossklags: Es ist jedem Nutzer freigestellt, sich auf der Plattform über sich und andere mitzuteilen. Deshalb ist es häufig der Fall, dass auch Informationen über Menschen auf der Plattform gespeichert sind, die kein Profil haben. Abstinenz von sozialen Netzwerken ist hier kein vollständiger Schutz.