Für Peter Hintze ist die Sache klar und eindeutig. „Zu einem menschenwürdigen Leben gehört ein menschenwürdiges Sterben.“ Darum hält der CDU-Abgeordnete und Vizepräsident des Bundestages auch nichts von einem kategorischen Verbot der Sterbehilfe. Im Gegenteil, es sei mit der Würde des Menschen unvereinbar, „wenn aus dem Schutz des menschlichen Lebens ein staatlicher Zwang zum Leiden wird“. Noch deutlichere Worte wählt sein sozialdemokratischer Kollege Burkhard Lischka: „Es gibt ein Recht auf Leben, aber keine Pflicht zum qualvollen Verrecken.“ Der moralische Rigorismus, der ein „Leben um jeden Preis“ wolle, werde sehr schnell zu einem „Plädoyer für ein qualvolles Sterben“. Und auch die Nürnberger CSU-Abgeordnete Dagmar Wöhrl beruft sich bei ihrem Ja zur Sterbehilfe auf die im Grundgesetz garantierte Würde des Menschen. Daraus ergebe sich, dass jeder das Recht habe, selbstbestimmt zu leben, aber auch selbstbestimmt zu sterben. „Sterben in Würde gehört zu einer humanitären Gesellschaft.“
Peter Hintze, Burkhard Lischka und Dagmar Wöhrl gehören zu einer Gruppe von Abgeordneten der Großen Koalition, die ein absolutes Verbot der Sterbehilfe ablehnen, wie es beispielsweise CDU-Gesundheitsminister Hermann Gröhe fordert. Am Donnerstag präsentierten sie mit ihren Kollegen Katherina Reiche (CDU) sowie Carola Reimann und Karl Lauterbach von der SPD ein vierseitiges Eckpunktepapier unter dem Titel „Sterben in Würde – Rechtssicherheit für Patienten und Ärzte“. Darin fordern sie eine zivilrechtliche Regelung zur Suizidbeihilfe im Bürgerlichen Gesetzbuch. Eine weitergehende Regulierung ärztlichen Handelns mit den Mitteln des Strafrechts lehnen sie hingegen kategorisch ab.
Fraktionsübergreifendes Papier
Es sei paradox, so die Autoren des fraktionsübergreifenden Papiers, dass zwar die Hilfestellung zum Suizid straflos ist, gleichwohl etliche Ärztekammern in Deutschland den Ärzten jede Form der Hilfestellung zu einem freiwilligen Ausscheiden aus dem Leben untersagen und mit dem Entzug der Approbation drohen. Dies führe zu einer Rechtsunsicherheit bei Patienten wie Ärzten.
Nach den Worten von Peter Hintze sollten sieben Bedingungen erfüllt sein, damit die Ärzte Beihilfe zum Suizid leisten dürfen: Der Patient müsse volljährig und voll einwilligungsfähig sein, unumkehrbar an einer unheilbaren organischen Krankheit leiden und einen „extremen Leidensdruck“ verspüren. Des Weiteren müsse in jedem Fall ein Beratungsgespräch mit dem Arzt stattfinden, in dem auf bestehende Behandlungsmöglichkeiten und Alternativen verwiesen wird. Zudem ist nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ ein zweiter Arzt hinzuzuziehen. Schließlich soll der Patient den Suizid selbst vornehmen. Ausdrücklich stellten die Abgeordneten klar, dass diese Regeln nicht für psychisch Kranke gelten dürften, die etwa an Depressionen leiden.
Konstruktive Alternative
Ein Verbot von organisierten Sterbehilfevereinen fordern Abgeordneten nicht, wie es eine Gruppe anderer Abgeordneter vorschlägt, schließen es aber auch nicht aus. Sie gehen vielmehr davon aus, dass durch ihre Regelung derartigen Organisationen der Boden entzogen wird. „Wir legen eine konstruktive Alternative vor“, sagt Karl Lauterbach. Schließlich bestehe ein Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient, im Gespräch „von Mensch zu Mensch“ könnte am besten entschieden werden, was im konkreten Einzelfall medizinisch angezeigt und zu verantworten sei. Dadurch, so hoffen die Initiatoren, könnte sogar die Zahl der Suizide gesenkt werden. „Die Ermutigung zum Leben muss immer Vorrang haben“, sagt Dagmar Wöhrl.
Am 13. November debattiert der Bundestag erstmals zum Thema Sterbehilfe, eine Entscheidung soll im kommenden Jahr fallen.