Als Beobachter des Klimawandels gilt der Expeditionsleiter und Polar-Abenteurer Arved Fuchs. Er wurde bekannt, als er 1989/90 zusammen mit Reinhold Messner die Antarktis mit Skiern durchquerte. „Bei meinen ersten Expeditionen ging es mir zunächst um das Abenteuer“, sagte Fuchs beim Extremwetterkongress in Hamburg. Doch das Überleben dort, hänge stark vom Wetter ab. Die Veränderung des Klimas sei ihm im Jahr 2002 aufgefallen. Heute sei der Klimawandel in der Polarregion überall sichtbar. Die Arktis ist für ihn das Frühwarnsystem der Erde. „Was dort im Kleinen passiert, wird irgendwann im Großen passieren.“
Arved Fuchs: Vor 35 Jahren, im Jahr 1979 war meine erste Expedition nach Grönland. Seitdem war ich viele Male dort. Mich faszinieren die weitgehend unberührte Naturlandschaft und auch die Bevölkerung, die in diesem harschen Klima seit Tausenden von Jahren lebt und überlebt hat. Dieser Kombination aus Natur und den Menschen dort kann ich mich einfach nicht entziehen.
Fuchs: Es war eine erste Begegnung und ein erstes Kennelernen der Insel. Dabei habe ich schnell gemerkt, wie schwierig es ist, in diesem Klima zu reisen. Man muss sich das Handwerkliche auch erst mal aneignen. Wir mussten uns den extremen Herausforderungen von Sturm und Eis stellen. Doch ich habe damals schon gemerkt, dass Grönland noch viel mehr an Themen bietet.
Fuchs: Das ist richtig. Für mich war es die erste Reise in die Arktis und ich hatte als junger Mann wenig Geld zur Verfügung und bin pragmatisch an die Sache herangegangen. Das Naheliegendste, um Kälte zu simulieren, war eine Großschlachterei, die einen Schockgefrierraum hatte, der bis minus 37 Grad heruntergekühlt war. Das war ein höchst ungemütlicher Ort, aber er war kalt. Da konnte ich die Ausrüstung testen und erste Erfahrungen mit der Kälte sammeln.
Fuchs: Die moderne Technik hat Expeditionen sicherer und kalkulierbarer gemacht. Aber minus 40 Grad Celsius fühlen sich heute noch genauso kalt an wie vor 30 Jahren. Nur wer das Handwerk des polaren Reisens beherrscht, sich keinen Illusionen hingibt und genau weiß, worauf es ankommt, hat eine Chance durchzukommen. Die Polarregion verzeiht keine Fehler – daran hat sich bis heute nichts geändert.
Fuchs: Die Kälte von bis zu minus 40 Grad bestimmt das Handeln dort. Erfrierungen passieren sehr schnell und man muss aufpassen, dass man keine Erfrierungen davonträgt. Man muss sehr diszipliniert sein und auf seine Ausrüstung aufpassen. Wenn ich über das Eis laufen will, muss ich einschätzen können, ob das Eis mich trägt. Das Wetter spielt in der Arktis eine entscheidende Rolle und daher muss man ein guter Wetterbeobachter sein. Nur so kann man überleben.
Fuchs: Als ich 2002 mit dem Schiff durch die Nord-Ost-Passage gefahren bin, schien die komplette Eislandschaft dort verändert. Vorher war uns die Durchsegelung aufgrund des Packeises nicht gelungen. Damals war die Passage nicht passierbar. 2003 sind wir durch die Nord-West-Passage gesegelt, das ist das Gegenstück der Nord-Ost-Passage, und haben gesehen, dass einige Ortschaften dort schon umgesiedelt werden mussten, weil die Küste massiv zurückgegangen war. Daraufhin habe ich alte und neue Eiskarten und Daten studiert. Dabei konnte ich feststellen, dass sich die Arktis durch steigende Temperaturen großräumig veränderte. Bei unserer Expedition in diesem Sommer war fast die ganze Küste Ostgrönlands eisfrei.
Fuchs: Das ist regional ganz unterschiedlich. Als wir im Sommer 2002 an Russland vorbeigesegelt sind, gab es dort kein Internet. Doch die Leute erzählten uns, dass die Fische, die sie seit Generationen gefangen haben, nicht mehr kommen, dafür aber andere, die auch gut schmecken. Dort arrangiert man sich mit den Veränderungen. In Alaska dagegen haben schon einige Familien ihre Häuser verloren, weil der Boden weggespült wurde. Immer mehr Jäger geraten in Gefahr, sie brechen durch das Eis, weil es nicht mehr so dick ist oder werden durch sich lösende Eisschollen vom Land abgeschnitten. Verschweigen will ich nicht, dass man heute in Südgrönland auch Vorteile im Klimawandel sieht: Die Touristensaison verlängert sich und man könnte dort in Gewächshäusern auch Tomaten züchten.
Fuchs: Seit über einem halben Jahrhundert wird eine Abnahme der Meereseisfläche beobachtet. Sie hat in jüngerer Vergangenheit stark an Geschwindigkeit gewonnen. Messungen aus dem Jahr 2007 zeigen eine Abnahme der Eisfläche im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 1978 bis 2000 um 40 bis 45 Prozent auf drei Millionen Quadratkilometer. Sollte diese Entwicklung anhalten, könnte die Arktis bereits 2030 im Sommer eisfrei sein.
Fuchs: Mit unseren Expeditionen wollen wir die Veränderungen in der Arktis dokumentieren und eine menschliche Dimension zeigen. Es geht ja nicht nur um Zahlenkolonnen, so wichtig sie auch sind. In diesem Sommer haben wir zum achten Mal ein Jugendcamp zum Thema Umwelt auf Spitzbergen veranstaltet. Wir wollen gerade junge Leute zwischen 16 und 20 Jahren motivieren, sich mit dem Klimawandel auseinanderzusetzen.
Fuchs: Es bringt schon viel, wenn sich jeder Einzelne mit der Thematik auseinandersetzt. Die Erwärmung der Erdatmosphäre und der Anstieg der Meeresspiegel werden ja hauptsächlich durch die Anreicherung von Treibhausgasen durch den Menschen hervorgerufen. Doch Wissenschaftler sagen, wenn wir die Zwei-Grad-Marke halten können, sind die Folgen des Klimawandels kalkulierbar. Wenn es aber ungebremst weiterläuft wie bisher, dann weiß keiner, wie die Natur darauf reagieren wird. Der Klimawandel birgt ein großes Konfliktpotenzial. Neben den politischen Flüchtlingen könnte es bald auch Klimaflüchtlinge geben. Der Klimawandel ist längst ein gesellschaftspolitisches Problem.
Fuchs: Anfangs waren die Neugierde, der sportliche Ehrgeiz und die abenteuerliche Verlockung die Triebfeder. Das muss ich mir heute nicht mehr beweisen. Heute interessieren uns, mein Team und mich, andere Themen: zum Beispiel die Klimaproblematik in der Arktis. Da ich das Glück gehabt habe, diese Region in allen Facetten kennengelernt zu haben, fühle ich mich in der Pflicht des Chronisten. Auch nächstes Jahr werden wir wieder zu diesem Thema unterwegs sein.
Fuchs: Sie müssen sich bewerben und wir prüfen dann, welche Qualifikationen Sie haben und ob Sie in unser Team passen. Wir haben nicht nur Wissenschaftler bei unseren Expeditionen dabei, sondern auch Filmemacher, Fotografen und Journalisten.
Arved Fuchs
Der Abenteurer und Polarforscher wurde am 26. April 1953 in Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein geboren. Nach der Schule ging Fuchs zunächst zur Handelsmarine. Mit dem auf See verdienten Geld finanzierte er seine ersten Reisen. Ein Studium der Schiffsbetriebstechnik brach er ab, weil es ihn zu sehr in unbekannte Gefilde zog. Seit 1977 führten ihn zahlreiche Expeditionen vor allem in die kältesten Gebiete der Erde, in die Arktis und Antarktis. Mit Vorträgen und Büchern („Blickpunkt Klimawandel – Gefahren und Chancen“) versucht er auf den Klimawandel hinzuweisen und die Menschen zu sensibilisieren. Am Mittwoch, 28. Januar 2015, spricht Fuchs um 20 Uhr über „Zwei Reisen am Ende des Lichts“ im CinemaxX Isartor in München.