zurück
ROM/BRÜSSEL
200 Flüchtlinge im Meer vermisst
Flüchtlingsboot kentert vor Libyen       -  Gerettet: Überlebende des gekenterten Flüchtlingsbootes werden auf Rettungsboote geholt. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen übernahm die Erstversorgung der Menschen.
Foto: Marta Soszynka/Ärzte ohne Grenzen | Gerettet: Überlebende des gekenterten Flüchtlingsbootes werden auf Rettungsboote geholt. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen übernahm die Erstversorgung der Menschen.
reda
 |  aktualisiert: 07.01.2016 15:18 Uhr

Auch mehr als einen Tag nach dem Flüchtlingsdrama im Mittelmeer haben Rettungskräfte weiter nach etwa 200 Vermissten gesucht. Der Einsatz vor der Küste Libyens wurde am Donnerstag ohne Pause fortgesetzt, wie die italienische Küstenwache mitteilte. Bis zum Nachmittag konnten 373 Menschen gerettet werden. Sie erreichten am Nachmittag Sizilien, wo sie von Hilfsorganisationen im Empfang genommen und betreut wurden. Die Helfer bargen zudem 25 Leichen. Insgesamt sollen etwa 600 Menschen an Bord gewesen sein.

Das irische Marineschiff „Niamh“ legte am Nachmittag in Palermo an. Es war nach dem Unglück am Mittwoch vor der libyschen Küste als Erstes vor Ort und hatte die meisten Menschen aufgenommen. Einige der Geretteten, die medizinische Hilfe benötigten, waren bereits zuvor mit Hubschraubern nach Italien gebracht worden. Die Überlebenden des Unglücks stammten italienischen Medienberichten zufolge vor allem aus Syrien, Eritrea, dem Sudan, Somalia und Bangladesch.

Ein weiteres Flüchtlingsboot war am Donnerstagvormittag etwa 30 Seemeilen vor der libyschen Küste gekentert, wie die Küstenwache mitteilte. Alle 381 Menschen an Bord konnten rechtzeitig gerettet werden. Sie sollten ebenfalls nach Italien gebracht werden.

Am Ort des Unglücks vom Mittwoch suchten weiter internationale Helfer mit Booten und Hubschraubern nach Vermissten. Allerdings sank mehr als 24 Stunden nach dem Schiffbruch die Hoffnung, noch Überlebende zu finden.

Nach Angaben von Geretteten waren etwa 100 Migranten im Frachtraum des Schiffes, als es kenterte. „Wir haben gehört, dass das Boot sehr schnell, innerhalb von Minuten gesunken ist“, sagte Melissa Fleming vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR dem TV-Sender Channel 4. Das überfüllte Flüchtlingsboot war am Mittwochmittag etwa 30 Kilometer vor der libyschen Stadt Zuwara bei der tunesischen Grenze gekentert.

Nach dem erneuten Drama wuchs auch die Kritik an den bisherigen Anstrengungen der EU-Staaten zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer und ihrer Aufnahme. „Es muss bessere Wege geben, damit Flüchtlinge nicht ihr Leben riskieren müssen, um in die Sicherheit Europas zu gelangen“, forderte Fleming. Auch die Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ kritisierte das „Fehlen adäquater Such- und Rettungsoperationen“.

Vertreter der Brüsseler EU-Kommission brachten am Donnerstag ihre „große Trauer“ über das Unglück vor der libyschen Küste zum Ausdruck. „Schon ein einziges verlorenes Leben ist eines zu viel“, unterstrichen die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans und EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos in einer gemeinsamen Erklärung in Brüssel.

Die Politiker erinnerten daran, dass die EU ihre Rettungsmissionen im Mittelmeer bereits aufgestockt und den Kampf gegen Schlepper verstärkt habe. „Es ist einfach, vor dem Fernseher zu weinen, wenn wir Zeuge dieser Tragödien werden. Es ist schwieriger, sich der Verantwortung zu stellen.“ Die EU müsse gemeinsam und konkret handeln.

Der Weg über Libyen

Darum wählen so viele Flüchtlinge den Weg über Libyen: In dem Wüstenland gibt es nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi 2011 keine staatlichen Kräfte mehr, die Flüchtlinge an der Weiterreise nach Europa hindern. Im ölreichen Libyen hatten Flüchtlinge und Migranten einst Heimat und Arbeit gefunden. Heute behindern Kämpfe verfeindeter Milizen die wirtschaftliche Produktion. Mangels Arbeitsmöglichkeiten suchen viele ihr Glück auf der anderen Seite des Mittelmeers. In der Sahara spielen Staatsgrenzen nur eine untergeordnete Rolle und sind schwer zu sichern. Dort ansässigen Nomadenstämmen bietet der Schmuggel von Menschen die Möglichkeit, viel Geld zu verdienen. In der Region werden die Konflikte immer brutaler. Deshalb fliehen so viele Menschen nach Europa. Ein großer Teil der Flüchtlinge, die Libyen passieren, kommt etwa aus Syrien. Der Weg nach Italien wäre von Tunesien aus zwar kürzer. Die tunesische Regierung versucht jedoch, Flüchtlinge nach Europa aufzuhalten. Text: dpa

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Europäische Kommission
Federica Mogherini
Flüchtlinge
Flüchtlingsdramen
Hilfsorganisationen und Hilfseinrichtungen
Küstenwache
Leichen
Muammar al-Gaddafi
Rettung
Rettungsdienste
Tunesische Regierungen
Uno-Flüchtlingshilfswerk
Ärzte ohne Grenzen
Überlebende
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen