Die negativen Nachrichten vom angespannten Wohnungsmarkt nehmen kein Ende: Während Mieten, Nebenkosten und Immobilienpreise in Rekordhöhen steigen, geht der Wohnungsneubau immer schneller in die Knie. Laut einer neuen Prognose des Münchner Ifo-Wirtschaftsinstituts werden 2025 statt der von der Bundesregierung geplanten 400.000 neuen Wohnungen gerade mal die Hälfte tatsächlich gebaut. Auch in diesem Jahr liegen die Neubauten mit 275.000 und im kommenden mit 235.0000 weit unter den von Kanzler Olaf Scholz ausgegebenen Zielen.
Nur ein Viertel der geplanten Sozialwohnungen wird gebaut
Besonders bitter ist die Lage bei den Sozialwohnungen: Der Mieterbund schätzt, dass statt den vom Kanzler ausgegebenen 100.000 pro Jahr gerade einmal ein Viertel davon gebaut werden wird. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kündigt nun Gegenmaßnahmen an, um den Abwärtstrend auf dem sozialen Mietwohnungsmarkt zu stoppen. Die Ampel will zurück zum Modell der Wohnungsgemeinnützigkeit, mit dem nach dem Krieg jahrzehntelang Millionen günstiger Mietwohnungen entstanden.
"Mit der Wohngemeinnützigkeit als gemeinsamem Ampel-Projekt wollen wir eine Rechtsform reaktivieren, die die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung 1990 abgeschafft hat", sagt Kühnert im Gespräch mit unserer Redaktion. "Es geht um ein dauerhaft preisgedämpftes Segment auf dem Wohnungsmarkt", betont der SPD-Politiker. "Im Gegensatz zu den Sozialwohnungen fallen diese Wohnungen nicht nach einigen Jahren aus der Preisbindung heraus", sagt Kühnert. "Momentan haben wir noch etwas mehr als eine Million Sozialwohnungen, doch die Zahl der neu gebauten reicht kaum aus, um den Bestand zu halten."
Der "Neue Heimat"-Skandal brachte Modell in Misskredit
Die alte Wohnungsgemeinnützigkeit war einst allen voran mit dem Namen "Neue Heimat" verbunden. Dem Gewerkschaftskonzern gehörten bis in die Siebziger rund 400.000 Mietwohnungen. Als die Nachfrage nachließ, verlegte sich der Konzern im In- und Ausland auf zunehmend riskante Immobilienprojekte und fuhr mit gewagten Grundstücksspekulationen Milliardenverluste ein.
Als der Spiegel 1982 Missmanagement und kriminelle Machenschaften bei Europas größten Wohnungsbaukonzern aufdeckte, besiegelte der "Neue-Heimat-Skandal" das Ende des Gemeinwirtschaftsmodells. In unverschuldete Mitleidenschaft gerieten dabei jedoch auch die kommunalen und sozialen Wohnungsbaugesellschaften, die steuerliche Vorteile verloren.
SPD-Generalsekrtär Kevin Kühnert fordert Finanzierung für sozialen Wohnungsbau
Die SPD will nun das Rad der Geschichte zurückdrehen. "Das Bau- und das Finanzministerium haben verschiedene Möglichkeiten durchgerechnet, wie die Wohngemeinnützigkeit für Mieter und Vermieter attraktiv gestaltet werden kann", sagt Generalsekretär Kühnert. "Unser Ziel ist, dass sowohl Bestandswohnungen in die Wohngemeinnützigkeitüberführt, aber auch neue Wohnungen nach diesem Modell gebaut werden können", erklärt er. "Das Prinzip ist bei allen Varianten gleich: Der Eigentümer vermietet die Wohnung unterhalb des örtlichen Mietspiegelniveaus und erhält dafür im Gegenzug steuerliche Vergünstigungen und staatliche Förderung", kündigte Kühnert an. "So kann das gemeinwohlorientierte Wohnungssegment Stück für Stück wieder wachsen."
Allerdings muss die SPD dabei den Bundesfinanzminister auf ihre Seite bringen: "Für diese Förderung müssen zusätzliche Haushaltsmittel bereitgestellt werden, sonst wird es nicht funktionieren", fordert Kühnert. "Steuerliche Rabatte allein reichen nicht. Finanzieren wir die Wohngemeinnützigkeit nicht ausreichend, dann sparen wir nicht etwa. Vielmehr verlagern wir die Kosten in andere Bereiche, beispielsweise weil mehr Mieter unterstützendes Wohngeld beantragen müssen." Die SPD will nun Tempo machen: "Ziel muss es sein, die Wohngemeinnützigkeit noch in diesem Jahr zu reaktivieren", kündigt Kühnert an. "Das wäre auch ein hilfreicher Beitrag zu unserem Ziel, uns den notwendigen 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr anzunähern."