Der frühere Linke-Vorsitzende Klaus Ernst hat den Austritt aus seiner Partei zur Unterstützung des Bündnisses um Sahra Wagenknecht als persönlich sehr schmerzhaften Schritt bezeichnet. „Es tut mir in der Seele weh, die Partei zu verlassen, die ich selbst mitgegründet habe und deren Vorsitzender ich war“, sagte Ernst unserer Redaktion. „Doch es geht nicht anders, die aktuelle Spitze hat keine Gelegenheit ausgelassen, den Flügel um Sahra Wagenknecht, dem auch ich angehöre, zu verprellen und eine Politik zu betreiben, die ausschließt“, verteidigte er den Schritt.
Ex-Linkechef Klaus Ernst über Parteiaustritt: „Die inhaltlichen Differenzen sind unüberbrückbar“
„Die inhaltlichen Differenzen sind unüberbrückbar“, betonte Ernst. „Wir wollen nun ab Januar als Partei der kleinen Leute eine Politik für Geringverdiener und Rentner machen, uns für Arbeitsplätze, wirtschaftliche Vernunft und bezahlbare Energie einsetzen“, kündigte er an. Der 68-Jährige gründete einst mit dem ehemaligen SPD-Vorsitzenden und anderen die Wahlalternative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit WASG, die sich 2004 aus Protest gegen die Agenda-Politik des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder von den Sozialademokraten abspaltete. Auch Ernst war als einstiger IG-Metallbezirkschef der Industrieregion Schweinfurt zuvor 30 Jahre lang SPD-Mitglied. Bis 2012 war er knapp zwei Jahre Parteichef der aus der Fusion von PDS und WASG hervorgegangenen Linke.
Wagenknecht hatte am Montag mit mehreren Mitstreitern in Berlin ihren Austritt aus der Linken bekanntgegeben und Pläne für die Gründung einer neuen Partei präsentiert. Der kürzlich gegründete Vereins "Bündnis Sahra Wagenknecht" soll die Parteigründung, die für Januar geplant ist, vorbereiten und Spenden einsammeln. "Wir haben uns zur Gründung einer neuen Partei entschieden, weil wir überzeugt sind, so wie es derzeit läuft, darf es nicht weitergehen", sagte die Wagenknecht. "Denn sonst werden wir unser Land in zehn Jahren wahrscheinlich nicht wiedererkennen."
Sahra Wagenknecht kündigt Parteigründung für Januar an
Die neue Partei soll demnach zur Europawahl im Juni 2024 antreten. Auch bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im kommenden Jahr strebe man an zu kandidieren, sagte Wagenknecht. Das werde aber davon abhängen, wie die Landesverbände bis dahin aufgestellt seien und welche Kandidaten man vor Ort habe. In den drei Bundesländern lag die AfD zuletzt in Umfragen vorn. Eine YouGov-Umfrage hatte aber im September gezeigt, dass sich im Osten fast jeder Dritte zumindest theoretisch vorstellen könnte, eine Wagenknecht-Partei zu wählen - solche Umfragen zeigen aber lediglich ein theoretisches Wählerpotenzial und sind keine Prognosen. Brandenburgs AfD-Chefin Birgit Bessin kritisiere am Montag, Wagenknecht setze auf eine Spaltung der Opposition.
Die Partei wird nach Angaben Wagenknechts nicht dauerhaft "Bündnis Sahra Wagenknecht" heißen. Sie sprach am Montag von einer Übergangslösung. Man wolle eine Partei auf den Weg bringen, die sich "für die nächsten 40 oder 50 Jahre" im deutschen Parteiensystem etabliere. "Ich kann Ihnen versprechen, so lange werde ich garantiert nicht mehr Politik in Deutschland machen." (mit dpa, pom)